Kommentar
12:39 Uhr, 09.10.2018

Dunkle Wolken am Konjunkturhimmel

Der Aufschwung der Weltwirtschaft geht unweigerlich zu Ende. Anleger sollten sich auf eine längere Durststrecke gefasst machen.

Seit der Finanzkrise hat sich die Weltwirtschaft kräftig erholt. Das galt zu Beginn der Erholung vor allem für die Schwellenländer (in denen die Wirtschaft nun vielfach bereits wieder kontrahiert) und in der späteren Phase der Erholung vor allem für die US-Wirtschaft, die nach den von Präsident Trump beschlossenen Steuersenkungen und Deregulierungsmaßnahmen aktuell besonders stark wächst.

Doch der weltweite Konjunkturaufschwung, der vor allem auch durch die ultralockere Geldpolitik der Notenbanken angeschoben wurde, hat seinen Zenit längst überschritten. Das zeigt sich unter anderem daran, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft nun zum ersten Mal seit dem Sommer 2016 wieder gesenkt hat. Zwar erwartet der IWF auch für das laufende Jahr noch ein Wachstum der Weltwirtschaft um 3,7 Prozent. Doch die absolute Höhe der Prognose ist weniger aussagekräftig als die Tatsache, dass im Juli noch 3,9 Prozent erwartet worden waren.

Wie wenig verlässlich die IWF-Prognosen allerdings tatsächlich sind, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Auch im November 2008, als Lehman Brothers bereits kollabiert war und die Finanzkrise ihren Höhepunkt längst erreicht hatte, prognostizierte der IWF noch für 2008 und 2009 ein positives Wachstum der Weltwirtschaft, der US-Wirtschaft und der Eurozone. Diese Prognosen erwiesen sich im Nachhinein als völlig daneben und mussten wiederholt extrem nach unten revidiert werden. Während die absolute Höhe der Prognosen wenig aussagekräftig war, zeigte die Richtung der Prognoseänderungen schon eher, wohin die Reise ging.

Insgesamt trüben sich die Perspektiven auch deshalb ein, weil die Notenbanken nach dem Liquiditätsrausch der vergangenen Jahre die Zufuhr an frischem Geld langsam reduzieren. In den USA hebt die Notenbank bereits seit Ende 2015 die Zinsen wieder an und hat im vergangenen Jahr auch mit dem Abbau ihrer nach der Finanzkrise aufgeblähten Bilanzsumme begonnen. In Europa und Japan ist die geldpolitische Normalisierung noch nicht so weit fortgeschritten, aber es zeichnet sich bereits ab, dass auch hier in den kommenden Jahren die Geldpolitik wieder gestrafft werden dürfte. Die Liquiditätshausse an den Aktienmärkten und der Konjunkturaufschwung könnten damit zu Ende sein.

Das die Konjunktur in der Eurozone ihren Höhepunkt bereits deutlich überschritten hat zeigt auch der sogenannte €-coin-Index, der von der italienischen Notenbank und dem Wirtschaftsforschungsinstitut CEPR berechnet wird. Der Index bezieht eine Vielzahl von zeitnah vorliegenden Wirtschaftsdaten für die Eurozone in seine Berechnung ein. Der Index wird monatlich veröffentlicht und soll den zugrunde liegenden Wachstumstrend in der Eurozone im jeweiligen Monat abbilden. Kurzfristige Schwankungen sollen dabei durch die Berechnungsmethodik eliminiert werden. Der €-coin-Index wird so berechnet, dass er die Wachstumsrate gegenüber dem Vorquartal zeigt.

Der zeitnah vorliegende €-coin-Index korreliert gut mit den offiziellen Daten zum Wirtschaftswachstum, die erst mit einiger zeitlicher Verzögerung veröffentlicht werden. Dies zeigt die folgende Grafik.

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Besser als die Wachstumsrate gegenüber dem Vorquartal allerdings zeigt die jährliche Wachstumsrate den ungefähren Konjunkturverlauf. Rechnet man die Daten des €-coin-Index so um, dass sich daraus näherungsweise die jährliche Wachstumsrate des BIP in der Eurozone ergibt, so zeigt sich ein interessantes Bild: Die aus dem €-coin-Index geschätzte BIP-Wachstumsrate im Jahresvergleich hat ein markantes Hoch bei über drei Prozent markiert und fällt nun wieder zurück. Im Zeitraum 2000 bis 2017 überschritt die aus dem €-coin-Index geschätzte zugrunde liegende BIP-Wachstumsrate nur zwei Mal die Marke von drei Prozent. Beide Male kam es, nachdem der Hochpunkt überschritten war (rote Pfeile), nicht nur zu einer deutlichen wirtschaftlichen Abkühlung, sondern auch zu einem Bärenmarkt an den Börsen.

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Fazit: Die Konjunkturentwicklung in der Eurozone und in der Weltwirtschaft dürfte ihren zyklischen Höhepunkt überschritten haben. Für die kommenden Jahre sind die Perspektiven auch deshalb eher schlecht, weil die Notenbanken nach dem Liquiditätsrausch der vergangenen Jahre nun ihre Geldpolitik wieder straffen dürften. Anleger sollten sich auf eine Durststrecke gefasst machen.


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Über den Experten

Oliver Baron
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Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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