Kommentar
14:30 Uhr, 09.03.2018

Double Trouble - Nach Zins- jetzt auch noch Zollangst?

Auf die handelsprotektionistischen Daumenschrauben des US-Präsidenten werden China und die EU schon aus Glaubwürdigkeitsgründen mit Gegenmaßnahmen reagieren. Eine dramatische Einschränkung des Freihandels träfe insbesondere Made in Germany tief ins Mark. Ein in der Folge eingeschränktes Weltwirtschaftswachstum mit schwächeren Unternehmensumsätzen und -gewinnen würde seine negative Wirkung auf deutsche Aktien nicht verfehlen. Und wie steht es um die Zinsangst? Immerhin hat die EZB auf ihrer letzten Sitzung beschlossen, keine weitere Aufstockung ihrer monatlichen Anleihekäufe vorzunehmen. Ist das der Einstieg in den Ausstieg aus einer beispiellosen Liquiditätspolitik und das Ende der Liquiditätshausse am Aktienmarkt?

Zinserhöhungserwartungen werden von der EZB konsequent bekämpft

Die EZB präsentiert auf ihrer letzten Sitzung zwar verbesserte Wachstumsaussichten: 2018 2,4 statt 2,3 Prozent; 2019 und 2020 jeweils unverändert 1,9 bzw. 1,7 Prozent. Gleichzeitig betont EZB-Chef Draghi allerdings deutlich, dass der ausgeglichene Risiko-Ausblick nicht bedeutet, dass Abwärtsrisiken ausgestorben sind. Das signalisierten auch die zuletzt rückläufigen Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor, die am europäischen Aktienmarkt ihren Tribut bereits gefordert haben. Ein sich gegenseitig hochschaukelnder Handelskonflikt zwischen der EU und den USA würde erst Recht als Stimmungskiller auf die Exportnationen in der Eurozone und ihre Aktienmärkte wirken. Dieses Konjunkturrisiko muss die EZB auch im Blick haben.

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Wo die Not am größten ist die EZB am nächsten

Zwar hat die EZB ihre explizite Zusicherung fallen lassen, das Volumen ihrer Anleiheaufkäufe gegebenenfalls zu erhöhen. Was zunächst wie der Beginn einer restriktiven Liquiditätspolitik anmutet, entspannt sich bei näherer Betrachtung jedoch deutlich. Zum einen schafft die EZB damit Glaubwürdigkeit: Sie reagiert auf ein grundsätzlich verbessertes Konjunkturumfeld. Im Grunde genommen war dieser Schritt überfällig. Doch nun, wo diese Katze aus dem Sack ist, kann sie die Finanzmärkte zukünftig nicht mehr beunruhigen. Vor diesem konjunkturellen Hintergrund ist eine restriktivere Geldpolitik der EZB zunächst kaum ableitbar.

Zum anderen - und das ist wichtiger - untermauert die EZB ihre auch zukünftig prinzipiell taubenhafte Haltung, indem sie klarstellt, dass der Erwerb von Anleihen „von monatlich 30 Mrd. Euro bis Ende September 2018 oder erforderlichenfalls darüber hinaus erfolgen soll und in jedem Fall so lange, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt, die mit seinem Inflationsziel im Einklang steht.“

Doch genau dieses Inflationsziel hält sie für noch lange nicht erreichbar. Denn sie hat ihre Inflationserwartungen beibehalten bzw. sogar gesenkt: 2019 1,4 statt 1,6 Prozent; 2018 und 2020 jeweils unverändert bei 1,4 bzw. 1,7 Prozent). Damit erreicht die EZB ihr Inflationsziel von zwei Prozent selbst im Jahr 2020 nicht. Und da sie der Preisstabilität - gemäß ihrem Primärauftrag - eine entscheidende Bedeutung beimisst, fehlt umgekehrt die Begründung für eine wirkliche geldpolitische Trendwende. Tatsächlich betonte Draghi, dass weiterhin ein „umfangreiches geldpolitisches Engagement“ notwendig sei, um das Inflationsziel der EZB zu erreichen. Auch Draghi kennt die preisdämpfenden Effekte einer globalisierten und digitalisierten Welt.

Die Rechtfertigung für eine never ending story, für eine Fortsetzung der Anleihekäufe von 30 Mrd. im Monat, liegt vor.

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Diese schwindende Aussicht auf geldpolitische Restriktion bzw. auf steigende Renditen spricht für einen sich wieder abschwächenden Euro. Ohnehin ist sich die EZB des weltweiten Währungsabwertungswettlaufs bewusst. Auch sie will die Exportsituation Europas auch angesichts von drohendem Handelsprotektionismus schützen. Am Devisen-Terminmarkt scheint seit Januar 2018 das Aufwertungsargument an Überzeugungskraft zu verlieren: Die Zunahme spekulativer Netto-Long-Positionen pro Euro stockt.

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Euroland einig Schuldenland

Zwar spielt nach der Wahl ein Euro-Austritt Italiens keine Rolle, so dass eine politische Euro-Krise nicht zu erwarten ist. Doch angesichts schwieriger Regierungsverhältnisse ist zukünftig nur eine Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners zu erwarten. Eine ausufernde Sozialpolitik ohne wirtschaftsreformistische Ansätze wird noch intensiver über Neuschulden finanziert. Leider finden sich für diese Art Verteilungspolitik auch auf EU-Ebene im Sinne einer vermeintlich stärkeren EU-Integration immer mehr Befürworter.

Vor diesem Hintergrund bleibt die EZB gezwungen, grundsätzlich - trotz vorsichtiger restriktiver Maßnahmen - weiterhin die Rolle des „Schulden-Stiefelknechts“ nicht nur für Italien, sondern die Eurozone insgesamt zu spielen. Nur die Finanzierbarkeit der Schuldenorgie über ein anhaltendes Niedrigzinsniveau kann politische Fliehkräfte im Währungsraum verhindern. Tatsächlich hat die Geldpolitik der EZB den Euro-Volkswirtschaften bei der Verschaffung von Finanzierungsvorteilen gute Dienste geleistet: Obwohl sich die Staatsverschuldung der Eurozone insgesamt von 2000 bis 2018 verdoppelte, hat sich der jährliche Zinsdienst nahezu halbiert.

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Profiteure dieser frivolen Finanzpolitik sind vor allem die Aktienmärkte der Euro-Südzone. Ihre Underperformance zu deutschen Aktien ist nicht nur ausgelaufen. Im Trend ist sogar eine Outperformance zu beobachten, die sich umso stärker fortsetzen würde, wenn ein weltweiter Handelsprotektionismus besonders exportsensitive deutsche Aktien negativ trifft.

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Marktstimmung - Vorsicht ja, Panik nein

Die Zolldiskussion hat die Finanzmärkte momentan fest im Griff. Die Frage ist, welche Eskalationsstufe erreicht wird. Ein ausgewachsener Handelskrieg ist nicht zu befürchten. Viele republikanische Abgeordnete warnen ungewöhnlich deutlich vor Handelsbarrieren. Und die Wirtschaft selbst - der gegenüber sich Trump ja als Beschützer aufspielt - ist deutlich auf der Contra-Seite zu finden. Fraglos wird es aber grundsätzlich ein Mehr an Protektionismus in der Handelswelt geben. Allerdings wird dieser nicht zu einem weltwirtschaftlichen Einbruch führen. Da die USA nur sechs bzw. zwei Prozent ihrer Stahl- und Aluminiumimporte aus Deutschland beziehen, dürfte der wirtschaftliche Schaden von Importzöllen von 25 bzw. 10 Prozent auf Stahl und Aluminium begrenzt sein. Plastischer Ausdruck der abnehmenden Bedeutung des Stahlgeschäfts für die deutsche Wirtschaft ist nicht zuletzt die Fusion des Stahlgeschäfts von ThyssenKrupp mit Konkurrent Tata Steel.

Die wahlpopulistischen Absichten von Trump im Vorfeld der Kongresswahlen im November sollten aber nicht unterschätzt werden. Bis dahin wird Handelsprotektionismus ein Aufregerthema an den Aktienmärkten bleiben. Und leider ist bei Trump auch immer mit plötzlich auftretenden schwarzen Schwänen zu rechnen.

Dagegen werden die nachlassenden jahresanfänglichen Inflations- und Zinserhöhungsängste als bis dato größter Risikofaktor nahezu ignoriert. Fast unbemerkt setzt sich die seit Anfang Februar stattfindende Beruhigung der Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen fort, in deren Fahrwasser sich die Renditen deutscher Staatstitel sogar wieder leicht zurückbilden. Sogar einige Fed-Mitglieder äußerten sich zuletzt kritisch zu weiteren US-Zinserhöhungen, da ein Handelskonflikt die positiven Wirtschaftsaussichten trüben würde.

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Tatsächlich zeigen in diesem Zusammenhang die vom Finanzdatenanbieter Sentix erhobenen Konjunkturerwartungen für die nächsten sechs Monate - eine Umfrage, an der sich zuletzt auch 262 institutionelle Investoren beteiligten - allen voran in Deutschland, aber auch in Asien, den USA und der Eurozone eine eingetrübte Stimmung.

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Beim von der Citigroup veröffentlichten Macro Risk Index - er misst die augenblickliche Risikostimmung an den Finanzmärkten - deuten Indexwerte größer als 0,5 auf zunehmende Risikoabneigung und Werte von kleiner als 0,5 auf Risikofreude hin. Der aktuelle Indexwert von gut 0,7 legt daher kurzfristig weitere Irritationen an den Aktienmärkten nahe.

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Weniger dramatisch bietet sich die Situation mit Blick auf die Aktienvolatilität dar. Zwar beobachten Anleger die Situation kritisch, ohne dabei jedoch in Verkaufs-Panik zu verfallen. Das sind keine Symptome eines bevorstehenden Aktien-Crashs.

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Im Trend zeigen sich die besonders exportsensitiven Mittelstands-Aktien aus MDAX und SDAX stabiler als der DAX. Sie profitieren von ihrem breiten Industrie-Know How und zahlreichen Patenten im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung der Weltwirtschaft. Sie werden mit oder ohne Handelskonflikte gebraucht. Begünstigend kommt das anlagetechnische Argument der Index-Zusammensetzungen hinzu. Die von potenziellen Handelsbeschränkungen betroffene deutsche Automobilbranche spielt in den Mittelstands-Aktienindices kaum eine Rolle im Gegensatz zum großen Bruder DAX, in dem immerhin knapp 13 Prozent der Indexgewichtung auf die drei großen deutschen Autobauer entfällt.

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Immerhin, an der geopolitischen Front sorgen die zuletzt versöhnlichen Töne zwischen Nord- und Südkorea für Entspannung. Sogar ein Treffen zwischen den USA und Nordkorea scheint möglich zu sein. Eine zunehmende Lösung des Konflikts würde von den Finanzmärkten mit einer Stabilisierung honoriert.

Charttechnik DAX - Kein Strukturbruch

Charttechnisch liegen im DAX auf dem Weg nach oben die nächsten Widerstände bei 12.489 und 12.722 Punkten. Werden diese nachhaltig überschritten, liegt das nächste Kursziel vorerst bei 12.951. Kommt es zu weiteren Gewinnmitnahmen, liegen erste Unterstützungen an den Marken bei 12.232 und 12.067. Darunter liegt die nächste Haltelinie bei 11.930. Wird diese unterschritten, ist mit Kursverlusten bis zur Unterstützung bei 11.878 und schließlich 11.831 Punkten zu rechnen.

Der Wochenausblick für die KW 11 - Alle Augen auf die US-Inflation

In China deuten die jahresanfängliche Industrieproduktion sowie die Einzelhandelsumsätze auf eine stabile konjunkturelle Seitenlage hin. In Japan zeigt sich die Industrieproduktion zuletzt angeschlagen und verschafft der Bank of Japan weiterhin ein passendes Alibi für die Aufrechterhaltung ihrer ultralockeren Geldpolitik.

In den USA machen sich am US-Immobiliensektor gemäß Baubeginnen und -genehmigungen erste Bremsspuren des steigenden Zinsniveaus bemerkbar. Insgesamt ist die Konjunkturstimmung laut Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der Philadelphia Fed stabil. Verbesserte Einzelhandelsumsätze und ein optimistisches Konsumentenvertrauen der University of Michigan signalisieren einen stabilen Konsum. Insgesamt ist kein sprunghafter Anstieg der US-Inflationsrate im Februar zu erwarten.

In der Eurozone bestätigen die finalen Inflationszahlen den moderaten Abwärtstrend der Preisentwicklung.


HALVERS KOLUMNE

Bei einem Handelskrieg wird Deutschlands Exportstärke zu seiner größten Achillesferse!

Der handelsprotektionistische Hammer kreist wieder und der Hammerwerfer heißt Donald Trump. Unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit kann er leider souverän Strafzölle erheben oder diese erhöhen. Und so will er Importzölle von 25 Prozent auf Stahl und 10 Prozent auf Aluminium einführen.


Trumps Zollstrafen sind zunächst der US-Innenpolitik geschuldet. Im November 2018 finden die nächsten Kongresswahlen statt. Nach diversen Affären ist der amerikanische Präsident derzeit so unbeliebt wie eine Maus im Feinschmeckerrestaurant. Die Demokraten könnten Trumps Republikanern durchaus die Mehrheit wegnehmen. Also muss Trump bei seinen Stammwählern als Rambo, als Verteidiger der US-Handelsinteressen punkten.

Allerdings glaubt Trump tatsächlich daran, dass Handelskriege zu gewinnen sind: Was Amerika nicht importiert, produziert es selbst und stärkt so seinen eigenen Wirtschaftsstandort. Dass dann jedoch die internationale Arbeitsteilung - jeder macht das, was man am besten kann - schrumpft, was zu deutlichen Einbußen bei den global erfolgreichen US-Konzernen, ihren Beschäftigten und natürlich ihren Aktienkurse führt, wird verschwiegen. Der Zusammenbruch der hoch optimierten, globalen Lieferketten könnte sogar stillstehende Laufbänder in der US-Industrie bedeuten.


Der Glaube an den Freihandel ist nirgendwo auf der Welt wirklich fest

Sicherlich sind andere Exportnationen auch keine Heiligen des Freihandels. China sieht sich zwar gerne als Verteidiger des freien Welthandels. Doch genauer betrachtet subventioniert Peking die Preise seines Exportstahls und -aluminiums dermaßen, dass die Konkurrenz in den USA und der EU kaum Überlebenschancen hat.

Und Pharisäertum im internationalen Freihandel gibt es auch in der EU. Während Europa auf in die USA ausgeführte PKWs nur 2,5 Prozent Zoll zahlt, führen US-Autoexporteure in die andere Atlantik-Richtung 10 Prozent ab. Und während Amerika für fast 48 Prozent seiner Importe außerhalb der Landwirtschaft keinen Cent Zoll verlangt, gewährt die EU Zollbefreiung nur für etwa ein Viertel der US-Importe. Europa ist also protektionistischer als Amerika. Diese Sonderbehandlung der Amerikaner Europa gegenüber rührt teilweise noch aus der Zeit des Kalten Kriegs, als Europa als Bollwerk gegen den bösen Sowjet-Iwan gestützt werden sollte.

Natürlich sollte sich Europa nicht wie ein Ochse von den USA durch die Außenhandels-Manege führen lassen und als Antwort auf Stahl- und Aluminiumzölle durchaus Importzölle auf Harleys, Feuerwasser, Jeans, meinetwegen auch auf Pampers und Mars, Snickers und Milky Way verhängen. Das wäre aber noch kein Handelsstreit, sondern eher Handelsfolklore.


Einen Handelskrieg gegen die USA kann Deutschland nicht gewinnen

Danach aber würde die Eskalation beginnen. Ein gegenseitiges Hochschaukeln von Handelsbarrieren verursacht zwar Schmerzen auf allen Seiten, allerdings in Amerika aufgrund seiner im Vergleich größeren Binnenkonjunktur deutlich weniger als in Deutschland. Wir sind exportlastig, noch viel stärker als Frankreich und Italien. Ein paar Fakten: Amerika ist für deutsche Autobauer nach der EU der zweitbedeutendste Absatzmarkt. Daimler, BMW und VW haben 2017 mehr Autos in die USA ausgeführt als nach China. Und dabei habe ich andere deutsche Vorzeigebranchen mit starker US-Präsenz wie Maschinenbau, Elektro und Chemie noch gar nicht genannt. Export-Deutschland sitzt in der Handelsfalle.

Richtig fatal wäre es, wenn Trumps Protektionismus nicht nur auf Länder oder Wirtschaftsräume wie die EU, sondern ebenso auf die Unternehmensseite abzielt. Wie im Mittelalter bei der katholischen Kirche käme es dann wieder zu einem Ablasshandel, mit dem man sich von Sünden freikaufen kann. Exportstarken deutschen Unternehmen würden ihre „amerikanischen Ausfuhrsünden“ vergeben, wenn sie diese in Form von gehörigen Investitionen und Arbeitsplatzaufbau in den USA sühnen. Und wer so in Amerika Buße tut, wird auch nicht mehr vom obersten Handelsinquisitor Trump bestraft. Wo kein Richter, da kein Henker.


Der Pandabär ist nicht nur süß und freundlich

Wenn Europa als von den USA verschmähte Handels-Geliebte jetzt von China hofiert wird, sollte es die wahren Absichten dieses neuen jugendlichen Liebhabers erkennen. Er ist ein Mitgiftjäger. Er gewährt intensive Handels-Liebesbeziehungen z.B. nur bei deutscher Einwilligung zu umfangreichen Investitionen Chinas in unsere Industrie- und Technologieperlen. Auch die Beteiligung eines chinesischen Investors mit 10 Prozent an Daimler mit Aufsichtsratsposten entspricht dieser vernunftehelichen Logik. Das sind keine Portfolioinvestitionen, sondern strategische Zukäufe. Es werden deutsche Abhängigkeiten von China geschaffen: Nur wenn wir bei euch rein dürfen, könnt ihr bei uns weiter mitmachen. Zusätzlich könnte China versuchen, seine in Amerika verpönte Stahl- und Aluminium-Billigware alternativ bei uns zu entsorgen. Deutschland wäre für China in der Tat eine gute Partie. Doch nirgendwo steht geschrieben, dass wir „Ja“ sagen müssen.


Gegen kalten (Handels-)Krieg hilft friedliche Koexistenz

Mit eiskaltem Realismus ist vor allem das politische Berlin angehalten, einen exportpolitischen Totalschaden zu verhindern. Es muss das erste Meisterstück der neuen GroKo sein, die europäischen Polit-Krawallköpfe, die jetzt massive Handelsvergeltung üben wollen, zurückzupfeifen. Trump sollte nicht gereizt werden wie ein Stier mit einem roten Tuch. Im Extremfall treten die USA nach dem Klimaabkommen auch noch aus der Welthandelsorganisation aus. Dann wird Trump auch noch Zölle auf Schwarzwälder Kuckucksuhren und bayerische Bierkrüge erheben.

Herr Trump erinnert mich an meinen früheren Erdkundelehrer, ein Choleriker vor dem Herrn. Damals mussten meine Mitschüler und ich immer sehr diplomatisch agieren, um ihn zu besänftigen. So muss es Brüssel und Berlin auch bei Trump tun. Zum Abbau von Handelshemmnissen könnte die EU die Zölle für amerikanische Güter auf das gleiche Niveau senken wie umgekehrt. Das nähme der Trump-Administration viel handelsprotektionistische Munition. Erst Recht nach dem Rücktritt des obersten Wirtschaftsberaters Trumps - Gary Cohn als Freihandelsapostel - muss alles getan werden, um einen Rückfall in die nationalökonomische Steinzeit zu verhindern. Doch wird uns das Thema Handelsprotektionismus an den Finanzmärkten wohl noch bis zur Kongresswahl begleiten. Solange wird Zocker Trump die Nerven der Exportländer weiter strapazieren. Anschließend möge das Thema Handelsprotektionismus weniger heiß gegessen werden als es im Augenblick von Trump gekocht wird.


Europa muss endlich (wirtschafts-)politisch erwachsen werden

Aber auch ein Plan B wäre für Europa und Deutschland wichtig. Um dem deutschen Exportüberschuss entgegenzuwirken, wären erstens massive staatliche Infrastrukturinvestitionen in die heimische volkswirtschaftliche Substanz, in Straßen, Brücken, Energie- und Breitbandnetze und viel Bildung geeignete Maßnahmen. Gegen den international kalten Handels-Krieger Trump braucht man mehr nationale Nestwärme: Ist es draußen kühl und nass, macht es auch zu Hause Spaß.

Zweitens sollte sich Europa über Reformen wirtschaftlich so attraktiv machen, dass Unternehmen auf unserem Kontinent ähnlich festgehalten werden wie ein Gebiss von Haftcreme. Hier allerdings lässt meine Zuversicht nach dem Wahlergebnis in Italien schon deutlich nach. Unklare politische Verhältnisse in Rom deuten nicht auf Aufbruch, sondern auf Weiter so!

Und drittens müsste sich Europa zusammenrotten, ein geopolitisches Gegengewicht zu Amerika und China bilden, damit man mit uns nicht den Molli machen kann. Es ist nicht Gott gewollt, dass Europa als Stück Parmesan zwischen der amerikanischen und chinesischen Käsereibe endet.

Ist Europa dazu in der Lage? Na ja, ich habe meine Wünsche und Hoffnungen ja nicht umsonst im Konjunktiv formuliert.


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Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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