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10:33 Uhr, 26.06.2024

DIW: Währungsreserven steigen weltweit - sinkendes Vertrauen in freie Märkte

BERLIN (Dow Jones) - Immer mehr Staaten rüsten sich seit der Finanzkrise für Devisenmarktinterventionen, indem sie ihre Währungsreserven weiter ausbauen. Dies ist das Ergebnis einer Analyse vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Vor allem große Schwellenländer, wie etwa China, zeigten hohe Bereitschaft zu Devisenmarktinterventionen, um ihre eigene Währung zu stützen und sich gegen Krisen abzusichern. Das Vertrauen in die Wechselkursbildung auf freien Märkten nehme ab.

Die Währungsreserven, die für Interventionen zur Wechselkurssteuerung notwendig sind, wurden laut DIW mit der zunehmenden Globalisierung aufgebaut. Die Reserven stiegen anteilig zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 12 Prozent im Jahr 1990 auf 25 Prozent im Jahr 2022, wie die DIW-Untersuchung auf Basis von Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) ergab. Auch nach der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008 wurden trotz einer ins Stocken geratenen Globalisierung weiter Währungsreserven aufgebaut.

Seit der Finanzkrise zeigt sich laut DIW der Trend, dass zwar passend zur Deglobalisierung das Verhältnis vom Außenhandel zum BIP sinkt, gleichzeitig aber das Verhältnis der Währungsreserven zum BIP gestiegen ist - zwischen 2008 und 2022 um etwa ein Viertel. "Die plausibelste Interpretation dieser Zunahme ist, dass die Staaten sich nicht sicher sind, ob die Entwicklung der Wechselkurse ihren Vorstellungen entspricht", sagte DIW-Ökonom Lukas Menkhoff. "Vertrauen der Staaten in die Preisbildung auf den freien Märkten nimmt offensichtlich ab und ihre Bereitschaft zur politischen Kontrolle mithilfe von Devisenmarktinterventionen steigt."

Laut DIW hat diese Bereitschaft zur Kontrolle hat aber ihren Preis, denn Devisenreserven kosteten und schränkten damit auch den Handlungsspielraum der Staaten ein. Diese Entwicklung zum Aufbau von Währungsreserven sei beunruhigend, weil dies ein weiterer Schritt weg von einer westlich dominierten, multilateral geordneten Weltwirtschaft sei, hin zu einer Welt, in der Länder stärker ad hoc agierten.

Auch Europa halte zwar große Währungsreserven, habe diese aber in der Währungsunion nicht mehr aufgebaut. "Europa wird damit zusammen mit wenigen anderen Staaten zu einer Ausnahme", sagte Menkhoff. "Europa setzt - bislang jedenfalls - auf eine multilaterale Ordnung, auf verbindliche Regeln und auf relativ freie Märkte. In solch einer Welt braucht man nicht so große Devisenreserven und muss die auch nicht in liquider Form halten."

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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