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15:07 Uhr, 10.06.2024

DIW: Ergebnis wird Europa schwächen und polarisieren

DJ WAHL-BLOG/DIW: Ergebnis wird Europa schwächen und polarisieren

Die Übersicht in Kurzmeldungen zu Ergebnissen und Einschätzungen rund um die Europa-Wahl:

DIW: Ergebnis wird Europa schwächen und polarisieren 

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, befürchtet nach der Europawahl Schaden für den Wirtschaftsstandort. "Die Ergebnisse der Europawahlen werden den Wirtschaftsstandort Europa schwächen und dürften für Europa ein weiterer Nachteil im Wettbewerb gegenüber China und den USA bedeuten", sagte der Ökonom voraus. Die Chancen einer Vollendung des Binnenmarktes oder einer gemeinsamen Industriepolitik hätten sich deutlich verschlechtert. Die Europawahlen bedeuteten eine Schwächung und weitere Polarisierung Europas. Rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien hätten deutlich gewonnen, in Frankreich löse dies gar Neuwahlen aus. Die entscheidende Frage für die Zukunft Europas werde es sein, ob die Konservativen als stärkste Fraktion weiterhin ausschließlich mit Sozialdemokraten und Liberalen kooperieren würden, oder ob sie in Zukunft auch punktuell mit Parteien am rechten Rand gemeinsame Sache machten. "Deutschland wird zu den größten Verlierern eines gespaltenen Europas gehören, denn die deutsche Wirtschaft hat im globalen Wettbewerb gegenüber China und den USA besonders viel zu verlieren", betonte Fratzscher.

AfD-Vorsitzende Weidel fordert Vertrauensfrage und Neuwahlen 

Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem schlechten Abschneiden der Koalitionsparteien aufgefordert, im Bundestag die Vertrauensfrage zu stellen und den Weg freizumachen für Neuwahlen in Deutschland. "Die Menschen haben es satt", sagte sie. Die Bundesregierung habe seit Amtsantritt eine Politik gegen die eigene Bevölkerung gemacht. Die Menschen hätten Angst, weil die Politik keine Antworten gebe auf die Fragen der Zeit. So sei eine klare Mehrheit der Menschen gegen ein Verbot des Verbrennermotors und für ein Weiterführen von modernen Atomkraftwerken, so Weidel.

Barley: Zusammenarbeit mit EVP im EU-Parlament nur ohne Beteiligung von Rechtspopulisten 

Sozialdemokraten sind im Europaparlament zur Zusammenarbeit mit der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen unter Bedingungen bereit. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, fordert, dass die EVP nur mit demokratischen Parteien zusammenarbeiten dürfe. "Dafür stehen wir zur Verfügung", sagte Barley nach Beratungen der SPD-Parteigremien in Berlin. Allerdings sei dafür Voraussetzung, dass die EVP sich bei der Mehrheitsfindung nicht auf Rechtspopulisten stütze. "Wir werden nicht mit Rechtspopulisten zusammen ins Boot steigen", so Barley.

Wagenknecht: Wahlergebnis mehr als erwartet 

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat mit dem Europawahlergebnis von 6,2 Prozent die Erwartungen seiner Gründerin und Parteivorsitzenden übertroffen. "Wir freuen uns sehr über dieses Ergebnis", sagte Wagenknecht bei einer Pressekonferenz. "Ich gebe zu, das ist mehr, als ich erwartet hatte." Jetzt fange die Arbeit an. "Aber wir sehen auch, wie groß das Potenzial ist, und zwar in Ost wie West", betonte sie. Im Osten habe die erst seit fünf Monaten bestehende Partei in vielen Bundesländern den dritten Platz. "Seit gestern wissen wir, dass es die absolut richtige Entscheidung war, die neue Partei zu gründen", sagte Wagenknecht. Die Partei werde sich jetzt auf die Landtagswahlkämpfe und auf den Parteiaufbau konzentrieren.

Söder sieht Abwahl der Ampel 

CSU-Chef Markus Söder hat das Ergebnis der Europawahl bei einer Pressekonferenz seiner Partei als "Abwahl der Ampel" interpretiert und den Rücktritt von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verlangt. Dass die Union mittlerweile genauso viele Stimmen habe wie die ganze Ampel, sei "ein klares Signal für einen totalen Absturz der Ampel" und auch ein ganz klares Misstrauensvotum gegen den Kanzler. "Olaf Scholz ist König Olaf ohne Land. Er hat keine Legitimation mehr", konstatierte der bayerische Ministerpräsident. Es gebe kein Vertrauen der Bevölkerung in ihn. "Deswegen ist die logische Konsequenz Neuwahl, Vertrauensfrage und am Ende Rücktritt." Sollte die Ampel einfach so weitermachen, werd es die Menschen tief frustrieren, warnte Söder. Auch die Grünen seien in Bayern massiv abgestürzt. Alle, die von Schwarz-Grün träumten, müssten wissen, "dass Grün mit Union zusammen für die Union ein Riesenproblem ist".

CEP: Rechtsruck stürzt EU in Überlebenskrise 

Die Europawahl hat die EU und insbesondere Deutschland und Frankreich nach der Analyse des Centers for European Policy Network (CEP) tief erschüttert. "Zwei schwere Regierungskrisen in den größten Mitgliedstaaten stürzen die EU in eine politische Überlebenskrise", erklärte die Denkfabrik. Es sei "ein gefährlicher Moment der politischen Instabilität für die EU - und ein Moment der Wahrheit", sagte CEP-Vorstand Henning Vöpel. Der Rechtsruck gebe Hinweis auf tiefere Gefahren und sollte nicht zu einfachen parteipolitischen Schlussfolgerungen führen, "da Europa schlingert und die Feinde von Freiheit und Demokratie genau darauf warten", warnte Vöpel. Der EU drohe "die Gefahr des Zerbrechens", denn sie habe nicht nur direkt Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Europaparlaments, sondern wirke auch indirekt sehr stark auf die nationale Politik in den Mitgliedsstaaten zurück, erklärten Vöpel und die CEP-Experten Andrea De Petris in Rom und Victor Warhem in Paris. Die nächste Kommission müsse die EU wieder in ihrem Kern stärken und eine Agenda für Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit formulieren.

VDMA: Schnelle Einigung auf Koalition der Mitte nötig 

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) hat nach der Europawahl eine breite Koalition für mehr Wettbewerbsfähigkeit gefordert. "Wir dürfen keine Zeit verlieren und müssen uns in Europa stark und schnell aufstellen", sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann. "Das bedeutet: Die europäischen Parteien sollten sich zeitnah einigen, eine Koalition der Mitte bilden und ihren Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten festlegen, damit die nächste Europäische Kommission sich zusammenfinden und mit der Arbeit beginnen kann." Auch die Mitgliedsstaaten seien aufgerufen, die Handlungsfähigkeit der EU nationalen Interessen unterzuordnen. Insbesondere die Entwicklungen in Frankreich dürften nicht zu einer Blockade führen. Klar sei, "dass die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ganz oben auf der strategischen Agenda der EU für die nächsten fünf Jahre stehen muss", meinte er. "Weniger und gleichzeitig bessere Regulierung und mehr Vertrauen in das Unternehmertun sollten dabei die Leitlinie sein."

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