Kommentar
17:36 Uhr, 14.02.2014

Die Systemrisiken Konjunktur und Geldpolitik sind im Griff

Im I. Quartal 2014 setzt sich die globale Konjunkturerholung fort. Setzt man die Einschätzung der Geschäftslage und der -erwartungen des weltweiten Verarbeitenden Gewerbes laut ifo Institut zueinander in Beziehung, so befindet sich die Weltwirtschaft im Übergang vom Aufschwung- in die Boomphase. Lichtblicke für die Weltwirtschaft sieht das ifo Institut in den robusten Geschäftsaussichten der US-Industrie, einer sich allmählich entwickelnden Euro-Wirtschaft und stabilen Konjunktureinschätzungen für Asien. Letzteres ist aufgrund der Jahresanfangsturbulenzen in den Schwellenländern zwar bemerkenswert, doch unterstreichen die im Januar mit 10,6 Prozent zum Vorjahr überraschend robusten chinesischen Exporte diese positive Stimmungseinschätzung mit harten Fakten.

Grafik der Woche: ifo Konjunkturmatrix der Weltwirtschaft

Natürlich hat China Probleme. Die Schattenbanken mit ihren ausfallbedrohten Krediten sind eine reale Gefahr. Im Übrigen wird China das frühere Wachstumstempo verständlicherweise nicht aufrecht erhalten können. Leistungsbilanzüberschüsse, positive Devisenreserven und eine einsatzfähige Notenbank sollten als Argumente aber nicht vergessen werden. Überhaupt, sieht es etwa in der westlichen Welt besser aus? Insgesamt ist eine Wiederholung der Asien-Krise Ende der 1990er Jahre nicht zu befürchten. Und ist der harte Kern der Schwellenländer - vor allem die BRIC-Staaten - stabil, ist auch kein wirklicher Gegenwind für die etablierten Volkswirtschaften zu befürchten.

Die US-Konjunkturerholung wird im Jahresverlauf weiter an Dynamik gewinnen. Und mit einem leichten Wirtschaftswachstum im Schlussquartal schreitet selbst die euroländische Konjunkturerholung in Trippelschritten voran, ohne dass jedoch hier Entwarnung gegeben werden kann. Zugpferd der Eurozone bleibt Deutschland, das sich einer zunehmenden Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen und eines robusten Konsums erfreut. Deutschland wird 2014 konjunkturell positiv überraschen. Und auch Japan dürfte seine Konjunkturerholung dank anhaltender geldpolitischer Unterstützung fortsetzen.

Unterstützt wird dieses positive fundamentale Bild durch die Aktienkursentwicklung mittelständischer deutscher Unternehmen, die auch als konjunktureller Frühindikator ihren Wert hat: Bereits seit 2009 entwickeln sich die im MDAX gelisteten, deutlich konjunktur- und exportsensitiv ausgerichteten Unternehmen im Vergleich zum DAX im Trend eindeutig besser.

Fed-Chefin Yellen als Friedenstaube für die Finanzmärkte

Der vermutlich wichtigste weltkonjunkturelle Stützpfeiler - die US-Geldpolitik - bleibt stabil. So bekräftigte die neue Fed-Chefin Janet Yellen auf ihrer ersten Kongressanhörung zwar die maßvolle Fortführung des Tapering ihres Vorgängers, lässt sich aber alle Hintertüren für eine mögliche Verringerung bzw. sogar Aussetzung des Tapering - je nach ökonomischer Datenlage - offen. Schließlich weiß die Fed um die globalen Auswirkungen ihrer Geldpolitik, insbesondere für die Schwellenländer.

Von besonderer Bedeutung ist die Aussage Yellens, wonach der US-Arbeitsmarkt noch lange nicht das befriedigende Niveau erreicht hat, dass eine restriktive Zinspolitik nahe legt. Dies gelte selbst dann, wenn der bisherige Schwellenwert von 6,5 Prozent Arbeitslosenquote unterschritten werde. Ähnlich hat diese Woche die Bank of England argumentiert, die sich damit ein Alibi für die Beibehaltung der Niedrigzinsen geschaffen hat, ohne in Glaubwürdigkeitsprobleme zu geraten.

Im Übrigen deutete Frau Yellen mehrfach an, dass sie über die Hinzuziehung zusätzlicher Indikatoren für die Ausrichtung ihrer Geldpolitik nachdenkt. Diese gäben ihr weiteren Spielraum für die Beibehaltung des aktuellen Notenbankzinsniveaus.

Insgesamt sind damit die Befürchtungen der Finanzmärkte, dass spätestens nach dem Tapering Notenbankzinserhöhungen folgen, nicht gerechtfertigt. Sollte die Liquiditätszuführung im kommenden Sommer ihren Abschluss finden, wäre sogar das „Tapering“ als Negativargument für die Aktienmärkte verschwunden. Dann würden sich die Investoren an den dauerhaft niedrigen Notenbankzinsen orientieren.

Denn die Vergangenheit zeigt deutlich, dass erst Zinserhöhungen das positive Bild von Aktien eintrüben. So war es bereits im Vorfeld der Dotcom- und Immobilienblasen, denen die im Vorfeld stattgefundenen Zinsrestriktionen der Fed massiv zugesetzt haben.

Goldmarkt mit Stabilisierungstendenzen

Die international locker bleibende Geldpolitik ist ein Unterstützungsfaktor für die Edelmetalle. Gold konnte seit Jahresbeginn um rund 8,5 Prozent zulegen. Als Katalysator für eine Kapitalflucht in die sicheren Anlagehäfen der Edelmetalle wirkten auch die zuletzt auftretenden Unsicherheiten in den Schwellenländern sowie die italienische Regierungskrise und damit erneut aufkeimende Euro-Krisenängste.

Gold und Silber dürften 2014 das verheerende Jahr vergessen machen. Denn mit Überschuldung, Politikern, die sich gegenüber Reformen stur stellen und mangelnden Alternativrenditen beim Zinsvermögen sind solide Argumente für Edelmetalle durchaus vorhanden. Zwar werden die Notenbanken vorerst einem dramatischen Anstieg von Gold und Silber entgegen wirken. Denn die Rettung der Finanzwelt ist ja auf Dollar, Yen und Euro gebaut. Harte Ersatzwährungen wären da für die „Geld“-politische Rettung hinderlich. Aber mindestens in punkto Werterhaltungsfunktion werden Gold und Silber schon heute ihren Aufgaben gerecht.

Die physische Goldnachfrage zeigt sich robust. Diese ist allein in China laut Angaben des chinesischen Goldverbandes im vergangenen Jahr 2013 um 41 Prozent zum Vorjahr angestiegen. Und laut US-Münzanstalt liegt der Absatz von Goldmünzen nach einer kurzzeitigen Verschnaufpause im Sommer 2013 im Januar 2014 klar über dem langjährigen Monatsdurchschnitt seit 2007. Übrigens, auch die Notenbanken selbst kaufen Gold. Sie werden wissen warum.

Auch der Gegenwind vom Terminmarkt hat seit Ende 2013 zunehmend nachgelassen. So haben die spekulativen Netto-Longpositionen, die auf eine Befestigung des Goldpreises hindeuten, eine Trendwende nach oben vollzogen.

Aktuelle Marktlage und Charttechnik

Nachdem zu Jahresbeginn die für 2014 insgesamt optimistischen Konjunkturprognosen kritisch zu Lasten von Aktien und Devisen der Schwellenländer mit Störfeuer auch für die entwickelten Kernmärkte der Industriestaaten auf die Probe gestellt wurden, zeigt sich die aktuelle Lage an den Finanzmärkten wieder entspannter. Die Transformation der global wichtigen Kern-Schwellenländer von export- und investitionsgestützten hin zu nachhaltig wachsenden Binnenkonjunkturen setzt sich - wenn auch mit Reibungsverlusten - fort. Ebenso wird es zu keiner Wende der Geldpolitik kommen. Konjunktur und Geldpolitik sind damit keine Risiken, sondern Chancen für die Aktienmärkte.

Zudem bleibt Gegenwind von der Berichtsaison aus. In den Ausblicken für das aktuelle Jahr gehen die Unternehmen von keinen größeren Verwerfungen aus. So geht auch die Commerzbank von einem schneller als geplanten Abbau der ausfallbedrohten Kredite aus. Trotz unter dem Strich roter Zahlen - Sondereffekte fraßen die operative Gewinnverdoppelung im IV. Quartal 2013 auf - rechnet der Industriekonzern ThyssenKrupp mit einem anhaltenden Aufwärtstrend des operativen Ergebnisses, das 2014 um rund 65 Prozent zulegen soll. Zudem sind deutliche Kostensenkungen im problematischen US-Stahlwerk geplant.

Sicherlich bleiben vorerst Krisenängste Handicaps für die Anlegerpsychologie. Hohe Kursausschläge mit zwischenzeitlichen Korrekturen an den Aktienmärkten müssen vorerst einkalkuliert werden. Im II. Halbjahr wird die fundamentale Zuversicht die Oberhand gewinnen.

Aus charttechnischer Sicht warten im Rahmen der Erholung die nächsten Widerstände im DAX bei 9.672 und 9.794 Punkten.

Sollte der DAX dagegen leicht korrigieren, warten erste Unterstützungen an den Marken bei 9.540 und 9.582 Punkten. Die nächsten Auffanglinien liegen dann im Bereich zwischen 9.400 und 9.420 Punkten. Darunter sind weitere Kursverluste bis zu den Unterstützungen bei 9.220 und bei 9.166 Punkten einzukalkulieren. Im Falle einer stärkeren Korrektur gibt der seit Juni 2013 bestehende mittelfristige Aufwärtstrend bei aktuell 9.133 Punkten Halt.

Und das passiert in der kommenden Woche

Die Quartalszahlen von Coca-Cola für das IV. Quartal 2013 dürften eine verbesserte Konsumlaune auf dem US-Heimatmarkt widerspiegeln. Auch die Zahlen des deutschen Konsumgüterherstellers Henkel werden von einer insgesamt gestärkten Konsumnachfrage profitiert haben, wohingegen Währungseffekte das Ergebnis belasten.

In den USA steht das Protokoll der letzten US-Notenbanksitzung auf dem Plan, dass Anleger auf weitere Informationen über den Fortgang des Tapering abklopfen werden. Fraglich ist wie stark der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed unter dem schlechten Wetter gelitten hat. Das gilt auch für Baubeginne und -genehmigungen.

In Euroland hat sich der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe gefestigt. Treibende Kraft ist die deutsche Wirtschaft, was neben dem deutschen Einkaufsmanagersubindex auch die ZEW Konjunkturerwartungen unterstreichen werden.

Halvers Woche: Aktienjahr 2014 - Das Jahr der drei Grausamkeiten?

Das unsichere Hin und Her der Aktienmärkte in diesem Jahr ist Grund genug zu fragen, ob die Systemrisiken 2014 wieder aus ihren dunklen Ecken kommen. Dabei fallen mir konkret drei potenzielle Grausamkeiten für die Aktienmärkte ein: Schwache Schwellenländern, Störfeuer in der Eurozone und geldpolitische Wende.

Beim Weltwirtschaftskollaps 2009 hat die deutsche Industrie am eigenen Leib gespürt, was eine Globalisierungsfalle ist. Sollten die Schwellenländer erneut wirtschaftliche Luftnot bekommen, würden auch deutsche Exportunternehmen unter argem Sauerstoffmangel leiden. Solange aber die erste, für die Weltkonjunktur relevante Reihe der Schwellenländer über Leistungsbilanz- und Devisenüberschüsse verfügt, wird 2014 mit dem Asien-Krisenjahr 1997 wenig zu tun haben. Allerdings hören wir schon in der laufenden Berichtsaison, dass die Schwachwährungen der Emerging Markets den dort erzielten Gewinnen die i-Tüpfelchen wegradieren könnten.

Euroland - Politisch kann nicht sein, was politisch nicht sein darf

Das eurozonale Polit-Jahr 2014 scheint schwieriger als 2013 zu werden. Italien ist mal wieder mit sich selbst - mit einer Regierungskrise - beschäftigt. Es bleibt abzuwarten, ob der vermeintlich neue Premier Renzi mehr Interesse an Wirtschaftsreformen zeigt als Löwen an Müsliriegeln. Und Griechenland wird um ein erneutes Kredithilfspaket so wenig herum kommen wie Schafe um die Schur. Ein Schuldenschnitt wäre zwar der ehrlichere Weg. Dann aber würde der deutsche Steuerzahler geschröpft und das offiziell rosarot gemalte Bild der Eurozone bekäme hässliche dunkle Flecken. Wer will das vor den Europawahlen im Mai riskieren, bei denen laut Umfragen schon jetzt jeder dritte EU-Bürger Euro-kritisch wählen könnte? Das alles macht Euro-Politik zu einer Herkules-Aufgabe. Unsere krisengestählten Euro-Politiker werden aber mit allen möglichen und unmöglichen Kunstgriffen eine Euro-Krise 2.0 verhindern. Wie wir schon bei der stillschweigenden Aufgabe der Maastricht-Stabilitätskriterien erleben durften, lässt man bei der politischen Rettung der Eurozone auch schon mal - oder auch öfter - gerne Fünfe gerade sein.

Geldpolitik - Janet und Mario machen keinen Stress

Bei der operativen Euro-Rettung verlässt sich die EZB auf ihren starken Motor. Dieser zieht die Euro-Staatsanleihenmärkte und ab Herbst und Winter, wenn die EZB die Oberaufsicht über die Euro-Banken hat, auch diese mit griffigen Winterreifen aus jedem Krisensumpf. Und auch der Bankenstresstests wird keinen Stress bereiten. Den jetzt zuzulassen, wäre finanzmarkttaktisch dumm.

Überhaupt, hat irgendjemand Angst vor einem Verbot unbegrenzter Aufkäufe von Staatspapieren? Die Bundesverfassungsrichter haben zwar sehr klar gemacht, dass sie mit dem Aufkaufprogramm der EZB allergrößte Bauchschmerzen haben. Es mit einem abweisenden Urteil verbieten und damit dann die Verantwortung für das Aufwecken schlafender Euro-Krisen-Hunde zu übernehmen, wollten sie aber nicht. Das soll doch lieber der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden. Deren Richter wissen um die immens große finanzpsychologische Bedeutung ihrer Entscheidung: Mit ihrem wahrscheinlichen Votum pro Aufkaufprogramm verleihen sie der EZB genau das Drohpotenzial, das es ihr erlaubt, erst gar nicht aufkaufen zu müssen. Liebe Anti-Euro-Spekulanten, am Gurt von EZB-Chef Mario Draghi hängt ein richtiger Revolver, keine Wasserpistole!

Und was ist mit der angeblichen Wende der Notenbank in den USA? Nun, Janet Yellen hat in ihrer Antrittsrede deutlich gemacht, dass sie an keine wirkliche geldpolitische Umkehr denkt. Da gurrte sie wieder, die charmante, weise und weißhaarige geldpolitische Taube „La Paloma Blanca“. Oder anders ausgedrückt: Was den einen ihre Mutti, ist den anderen ihre Mum.

Insgesamt müssen wir uns vor dem Systemrisiko „Geldpolitik“ ebenso wenig fürchten wie vor Wattebällchen.

Keine fundamentalen Systemrisiken, aber an der Anlegerpsyche muss noch gearbeitet werden

Die drei theoretischen Systemrisiken verlieren bei fundamentaler Betrachtung an praktischer Gefahr. Dieser Erkenntnisprozess muss aber noch die Psyche der Anleger erreichen, was Zeit brauchen wird. So werden im 1. Halbjahr hohe Schwankungen charakteristisch für den deutschen Aktienmarkt sein. Sogar eine Verdopplung des aktuell geringen Volatilitätsniveau von knapp 20 ist möglich. Aber im 2. Halbjahr wird die fundamentale Botschaft neben den Gehirnen auch die Seelen der Anleger erreicht haben und sich der Wellenschlag wieder glätten. Dann wird sich die Aktienstimmung wieder deutlich aufhellen und den DAX bis Jahresende über 10.000 Punkte hieven.

Und daher interessieren mich die aktuell wieder gern propagierten Aktiencrash-Szenarien für 2014 so brennend wie ein Vortrag über den Einfluss der Salzsteuer auf das mittelalterliche Tibet.

Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick

Kapitalmarkt auf einen Blick

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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