Kommentar
15:16 Uhr, 20.01.2012

Die EZB verhindert die Eskalation der Euro-Krise...

Es ist passiert: Durch die Herabstufung der Rating-Agentur Standard & Poor’s hat jetzt auch Frankreich sein Triple A-Rating verloren. Da der Trend der Herabstufungen auch seitens anderer Rating-Agenturen sicher nicht enden wird, verliert auch der Euro-Rettungsschirm sukzessive seine Bonität, Reputation und damit nicht zuletzt an Anziehungskraft für private Investoren. Jetzt wird klar, dass diese auf Bonitätsbewertung basierende Rettungslösung alles andere als stabil ist und zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, große Euro-Staaten wie Italien oder Spanien im Fall der Fälle zu stützen.

Jetzt richtet sich alle Aufmerksamkeit auf den ab Mitte des Jahres in Kraft tretenden permanenten Stabilitätsmechanismus ESM. Dieser hat zwar nicht das Problem der Abhängigkeit von Bonitätsnoten der einzelnen Euro-Staaten und vom Gutwillen externer Investoren. Sollte es allerdings hart auf hart kommen, ist auch dieser Schirm für eine Euro-Rettung nicht geeignet. Denn einerseits müssten die Euro-Staaten diese dann selbst finanzieren. Da bis auf Deutschland allerdings kein großer, zahlungskräftiger Retter mehr vorhanden ist und Deutschland nicht willens und in der Lage ist, quasi unbegrenzt, Finanzierungsverpflichtungen einzugehen, stößt auch diese Form des Rettungsschirms an altbekannte Grenzen. Und andererseits fehlt der nötige Druck auf die Nehmerländer, ihre Reformaufgaben zu erfüllen. Ohnehin wird die Politik mit ihren langwierigen, bürokratischen Entscheidungsprozessen über Hilfszusagen auch zukünftig den Finanzmärkten immer wieder hinterherlaufen. Kurz und gut: Rettungsschirme sind vor Lösung der Defizite in den Problemländern keine Lösung für die Euro-Krise.

... und macht die Wüste grün

Und weil die Euro-Politik versagt, muss es die euroländische Geldpolitik richten, die den Banken ihre Kapitalsorgen abnimmt. Mit Rücksicht auf die deutsche Stabilitätsseele kauft man nicht direkt - im Gegensatz zur Fed - Staatsanleihen prekärer Länder auf. Zur Stabilisierung der Staatsanleiherenditen kriselnder Peripheriestaaten wählt man stattdessen die Hintertür und stellt den Geschäftsbanken umfangreich billiges Zentralbankgeld zur Verfügung. Die Konsequenz dieser Liquiditätsoffensive ist aber auch so ein Anwachsen der Bilanzsumme der EZB, die dem Wachstum der der US-Notenbank in nichts nachsteht und damit den ultimativen Rettungscharakter ihrer Aktionen unterstreicht.

Grafik der Woche: Bilanzsumme der EZB und der Fed, in Mrd. der lokalen Währung

Besonders die langfristigen EZB-Kredite mit einer Laufzeit bis zu drei Jahren sorgen für eine Beruhigung auf den Anleihemärkten. Schließlich nimmt das breite Angebot an günstigem Zentralbankgeld den Refinanzierungsdruck von den Banken. Darüber hinaus bleibt den Banken schätzungsweise noch Liquidität in Höhe von gut 200 Mrd. Euro für einen vergleichsweise langen Zeitraum von drei Jahren übrig, die möglichst rentabel angelegt werden wollen. Und hier fällt der Blick auf den Markt für euroländische Staatsanleihen.

Denn italienische und spanische Staatsanleihen sind in zweierlei Hinsicht attraktiv. Zum Einen bieten sie im Vergleich zu z.B. deutschen Staatsanleihen einen erheblichen Zinsvorteil. Und zum Anderen winken Kursgewinne ohne Währungsrisiko, denn die EZB signalisiert mit ihren Aktionen deutlich, dass sie einem wie auch immer gearteten Kollaps der prekären Länder der Eurozone nachhaltig entgegenwirken wird. Sie nimmt also das Risiko vom Markt. Hier hilft auch die Aussicht auf weiter sprudelnde Liquidität im Rahmen der nächsten EZB-Auktion für dreijährige Kredite am 29. Februar.

Und tatsächlich nimmt die Risikoaversion gegenüber italienischen und spanischen Staatsanleihen ab. Während absolut betrachtet kurz laufende südeuropäische Renditen nachgeben, scheinen bei deutschen Staatsanleihen die Renditen nicht weiter zu sinken, sondern allmählich leicht zu steigen. Die Rentenanleger setzen offenbar nicht mehr nur einseitig auf den sichereren Hafen Bundesrepublik.

Unter dem Strich führt diese indirekte Liquiditätssteuerung der EZB schon jetzt zu einer Beruhigung der Krisensymptome am euroländischen Staatsanleihemarkt. Das gilt besonders für die beiden großen Dominosteine Italien und Spanien, deren Stabilität für die Eurozone überlebenswichtig ist und deren Zinsstrukturkurven sich seit Anfang des Jahres bereits erheblich normalisiert haben. Die Zinsen am kurzen Ende liegen wieder deutlich unter denen am langen Ende, das Vertrauen der Finanzmärkte kehrt - wenn auch langsam - wieder zurück.

Zudem steht die EZB nicht alleine dar. Auch der IWF plant eine Erhöhung der eigenen Kriegskasse von 387 Mrd. auf bis zu rund 1 Bio. US-Dollar, um im Ernstfall auch stützend in Euroland eingreifen zu können. Die Ansteckungsgefahr für die gesamte Finanzwelt und Weltkonjunktur wird sehr ernst genommen.

Das Liquiditätsargument ist sehr geeignet, die Dimension der Scheuklappen der Euro-Krise zu verringern. Der Blick für Fundamentalargumente wird wieder freier. Die Aktienmärkte können so wieder verstärkt von der stabiler als bislang erwarteten fundamentalen Lage in Euroland profitieren: So haben sich seit der Zuspitzung der Euro-Krise im August 2011 die Konjunkturdaten der Eurozone deutlich stabilisiert, wie das positive Bild des Economic Surprise Indicator erkennen lässt.

Lösung der Causa Griechenland

Bei allem Zeitgewinn durch die Liquiditätsfreuden der EZB darf letztlich aber nicht vergessen werden, die griechische Frage nachhaltig zu lösen.

Auch die schönste Politikerrede kann die Tatsache nicht ändern, dass ein kontrollierter Zahlungsausfall unter freiwilliger Beteiligung privater Investoren - um ein Kreditereignis und damit die Auslösung von Kreditausfallversicherungen zu verhindern - zügig herbeigeführt werden muss. Es ist ein unwürdiges Schauspiel, so zu tun, als ob eine Sanierung Griechenlands im Euro-Korsett möglich wäre. Und damit sollte man auch die Daueralimentierung Griechenlands zu Lasten der bonitätsstarken einwandfreien Länder aufgeben. Austritt, Sanierung und Wiederbeitritt sind die Maßnahmen, die ergriffen werden müssen. Bedenken vor fatalen Reaktionen der US-Rating-Agenturen sind unbegründet. Würden sie - wie von Fitch androht - tatsächlich ein Kreditevent ausrufen, kämen gerade auf angelsächsische Kreditinstitute in horrendem Ausmaß Auszahlungen aus den von ihnen verkauften Kreditausfallversicherungen zu, die nicht zuletzt ihnen schwer wiegende Probleme bereiten würden.

Und um die euroländische Finanzwelt dabei vor massiven Turbulenzen zu schützen, wird die EZB auch hier den Rettungsanker spielen (müssen) und den Bankensektor durch massive zusätzliche Liquidität stabilisieren. Konkret müssten neue, sehr lang laufende Anleihen - ähnlich wie bei der Sanierung Argentiniens - begeben werden und IWF und EZB müssten deren Bonität bzw. Refinanzierung garantieren bzw. absichern.

Der kontrollierte Austritt Griechenlands aus der EU - ohne Kollateralschäden befürchten zu müssen - wäre möglich. Dies würde den Finanzmärkten die Handlungsunfähigkeit der Euro-Politik aufzeigen. Und darauf kommt es schließlich an.

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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