Kommentar
09:24 Uhr, 10.10.2011

Der Showdown naht

Die Wertentwicklung der Anlageklassen im abgelaufenen III. Quartal 2011 stand deutlich im Zeichen der Staatsschuldenkrise in Euroland und der Wirtschaftsschwäche in den USA. Defensive Anlageklassen waren die Gewinner in diesem Zeitraum. Hierbei stachen insbesondere aus Euro-Sicht Gold sowie deutsche Staatsanleihen als sichere Häfen hervor. Als solcher diente auch die Anlageklasse Rohstoffe, die den zunehmenden Konjunkturpessimismus dennoch relativ gut kompensieren konnte. Die hohe Marktliquidität kommt dem Rohstoffsektor definitiv zugute.

Im Aktiensegment suchte man vergebens nach Inseln der Glückseligkeit. Sie befanden sich im vergangenen Quartal in schwerem Fahrwasser und konnten in dem negativen Wirtschaftsumfeld nicht überzeugen. Dabei kommt der US-Aktienmarkt noch vergleichsweise glimpflich davon, denn der hauptsächlich belastende Krisenherd wird in Euroland gesehen. Auch die Aktienmärkte der Schwellenländer kamen nicht ungeschoren davon. Hier wird jedoch eher auf die Risiken einer Konjunkturüberhitzung und damit verbundene deutliche Zinserhöhungen verwiesen. Die hauptsächlichen Verlierer des vergangenen Quartals waren deutsche und euroländische Aktien. Die massive Konjunktursensitivität der deutschen Wirtschaft, die in Boom-Zeiten für deutsche Aktien spricht, wirkt sich in konjunkturell schwierigerem Fahrwasser umgekehrt als Handicap aus.

Die Alternativlosigkeit eines griechischen Zahlungsausfalls

Die Prämien für 5-jährige griechische Kreditausfallversicherungen befinden sich bereits seit einem Monat auf einem Niveau, dass eine Ausfallwahrscheinlichkeit von knapp 100 Prozent einpreist.

Grafik der Woche: Ausfallprämien 5-jähiger griechischer Staatsanleihen

Auch zwei Drittel der griechischen Bevölkerung halten eine Staatspleite mittlerweile für unausweichlich, denn von Sparfortschritten kann bei einer Erhöhung des Haushaltsdefizits in diesem Jahr von 7,6 auf geschätzte 8,5 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht wirklich die Rede sein.

Und auch die Euro-Politiker, die bislang vollmundig die Rettung Griechenlands als alternativlos darstellten, haben erkannt, dass weder die griechische Bevölkerung weitere Sparmaßnahmen noch die Geberländer weiter ungehemmte Rettungszahlungen akzeptieren werden.

Das eröffnet Perspektiven für die Zukunft. Der Zahlungsausfall Griechenlands scheint von der Politik immer mehr alternativlos angesehen zu werden. Bereits vorsorglich haben daher die Euro-Finanzminister die Europäische Bankenaufsicht (EBA) damit beauftragt, nach Ländern aufzuschlüsseln, wie viel Kapital die jeweiligen Banken bei Abschreibungen im Falle einer Staatspleite benötigen würden.

Die Banken im Brennpunkt der Staatsschuldenkrise

Die Dramaturgie einer Staatspleite schlägt sich naturgemäß im Bankensektor nieder. Moody’s hat gleich 9 portugiesischen und 12 britischen Banken ein schlechteres Bonitätszeugnis ausgestellt. Zum wiederholten Mal zweifelt die Rating-Agentur an der Unterstützung des Staates für die Banken.

Banken-Inseln der Glückseligkeit sucht man dieser Tage vergebens. Die globale Vernetzung der Branche bereitet auch US-Banken zunehmend Probleme. So gerät nun auch Morgan Stanley aufgrund seiner engen Verflechtungen mit europäischen Kreditinstituten, die unter massiven Liquiditätsproblemen leiden und unter Notversorgung der EZB stehen, in den Sog der Krise. Die Ausfallprämien 5-jähriger euroländischer sowie US-Bankenanleihen sind massiv angestiegen.

Aufgrund der gestiegenen Risikowahrnehmung parken die Banken ihre Liquidität zunehmend bei der Zentralbank. Sowohl bei der EZB als auch bei der Fed haben die Einlagen der Geschäftsbanken dramatisch zugenommen. Die Banken nehmen also ihre ureigene Funktion, die Finanzierung der Realwirtschaft, nicht mehr ausreichend wahr.

Bankenrettung heißt das Zauberwort

Einer Verschärfung dieser Liquiditätskrise, die ähnlich wie nach der Lehman-Pleite auch zu schweren Rezessionen führen würde, muss dringend entgegengewirkt werden.

Das hat die Euro-Politik jetzt verstanden. Mit guten Worten und Rettungsgeldern allein kann man diese Bankenkrise nicht mehr beseitigen. Nägel mit Köpfen müssen gemacht werden.

Interessanterweise attestiert man jetzt Griechenland eine ausreichende Liquidität bis November. Bis dahin ist der erweiterte Rettungsschirm durch alle nationalen Parlamente verabschiedet worden. Man könnte also im November die kontrollierte Insolvenz Griechenlands mit einem Schuldenschnitt durchführen. Durch die Diskussion über eine Erhöhung der Beteiligung privater Gläubiger werden die euroländischen Banken bereits auf diesen Schritt vorbereitet. So hat die Deutsche Bank nach 155 Mio. Euro im Vorquartal vorsorglich weitere 250 Mio. Euro im III. Quartal auf ihre Engagement in Griechenland abgeschrieben.

Zwar dürfte ein Schuldenschnitt kurzfristig zu Verwerfungen auf den Finanzmärkten führen. Immerhin würde das erste Mal in der Geschichte die Pleite eines Staates durchgeführt, der Mitglied einer Währungsunion ist. Mittelfristig käme er aber einem Befreiungsschlag gleich. Die Handlungsfähigkeit Eurolands würde nach langen Monaten des politischen Siechtums endlich wieder sichtbar.

Dabei übernähme der mit dann ausgeweiteten Kompetenzen ausgestattete Euro-Rettungsfonds schließlich die zentrale Aufgabe der Rekapitalisierung euroländischer Banken. Schätzungen zufolge benötigen diese bei einer angestrebten Kernkapitalquote von 8 Prozent - wie sie die Basel II-Regelungen verlangen - und einem Schuldenschnitt Griechenlands von 50 Prozent gut 150 Mrd. Euro an frischem Kapital.

Um die Feuerkraft des Fonds noch zu verstärken und ein Vielfaches des aktiven Rettungsvolumens auch zum Aufkauf von Staatsanleihen anderer prekärer Länder nutzen zu können, damit diese aus der Schusslinie der Finanzmärkte genommen werden, wird bereits an einer effizienteren Ausgestaltung des Fonds gearbeitet. Um aber eine abermalige Erhöhung der Garantien, die auf einen schwer überwindbaren politischen Widerstand in den Euroländern stießen, zu umgehen, wird laut über eine Hebelung der aktuellen Garantien nachgedacht. Der Status einer Bank würde dem Rettungsfonds dieses Instrument an die Hand geben. Der Abschreibungsdruck bei Banken, die in entsprechenden Staatsanleihen investiert sind, würde sich insgesamt reduzieren.

Zudem wird es im Zweifelsfall wieder Staatshilfen für in Schieflage geratene Banken geben. Das verdeutlicht der Fall des Kommunalfinanzierers Dexia, dem aufgrund von Liquiditätsproblemen seitens Frankreich, Belgien und Luxemburg bereits Unterstützung zugesichert wurde. Zudem werden in Frankreich ohnehin bereits Notfallpläne erstellt, die dem Staat im Ernstfall eine Beteiligung an den Banken ermöglichen. In Deutschland bringt Frau Merkel sogar eine Wiederbelebung des nationalen Bankenrettungsfonds (Soffin) ins Spiel, über den der Staat Aktionär der Banken werden könnte.

EZB übt sich in totaler Liquidität

Auch bei der EZB weiß man um die Notwendigkeit der liquiditätsmäßigen Schützenhilfe für den Bankensektor im Falle eines griechischen Schuldenschnitts. Die EZB ist bei der Bankenrettung unverzichtbar. Um dem Risiko des Zusammenbrechens von Banken mit der Gefahr einer Kettenreaktionen zu begegnen und um ihre Refinanzierungsbedingungen zu erleichtern, behält sie ihre Kreditvollzuteilung bei und bietet zusätzlich zu ihren kurzfristigen Standardauktionen zwei weitere Kreditzuteilungen über ein Jahr an. Zudem legt sie ein zweites Aufkaufprogramm für besicherte Bankanleihen im Volumen von 40 Mrd. Euro auf. Nicht zuletzt sind unter dem ab 1. November amtierenden neuen EZB-Chef Mario Draghi Zinssenkungen wahrscheinlich.

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

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