Kommentar
08:43 Uhr, 22.06.2011

Der Ölpreis bestimmt den Maispreis

Mitte Februar diese Jahres fand in Floridas bekanntem Renn-Badeort das bekannteste Stockcar-Rennen der Welt statt: Daytona 500. Die Euphorie in Amerika im Zusammenhang mit den NASCAR-Rennen ist vergleichbar mit der Bundesliga in Deutschland – in den USA gibt es sogar einen vom US-Kongress ausgerufenen „Race Day in America“. Die Politiker sind da bei nicht ganz uneigennützig. Ab diesem Jahr werden die Rennwägen mit E15 betrieben, einer 15 prozentigen Beimischung von Ethanol zum Benzin.

Bjørn Lomborg, Direktor des Thinktanks Copenhagen Consensus Center, sieht diese Entwicklung kritisch. Zwar wollen die USA weg vom importierten Öl aus der Dauerkrisenregion Naher Osten. Ethanol, aus Mais gewonnen, der im eigenen Land in rauen Mengen wächst, verspricht diese Unabhängigkeit, die auch auf mehr Unabhängigkeit von den volatilen Preisschwankungen auf den Weltbörsen für Öl hoffen lässt.

„Ein Sechstel der weltweiten Maisernte wird zu Ethanol verarbeitet.“

- Zitat Jochen Stanzl, Chefredakteur Rohstoff-Report.de -

Lomborg hat berechnet, dass ein Sechstel der weltweiten Maisernte zu dem Benzinadditiv Ethanol verarbeitet wird. Das würde laut Lomborg reichen, 350 Millionen Menschen ein ganzes Jahr lang zu ernähren. Die Vereinigten Staaten fördern die Herstellung des Alkohols in Form von Steuervergünstigungen, Einfuhrzöllen und anderen Programmen – unter anderem auch durch das Sponsoring der NASCAR-Rennen. Insgesamt fließen hier Steuergelder in Höhe von 6 Milliarden Dollar. Diese staatlichen Förderungen für die rasanten Produktions stei gerungen von Biokraftstoffen haben zum Durch einander in der Nahrungsmittelproduktion beigetragen. Infolge aggressiver Produktionsziele in den USA, aber auch in Europa, sind im Jahr 2010 6,5% der gesamten weltweiten Nahrungsmittelproduktion und 8% des weltweiten Pflanzenöls in die Produktion von Biotreibstoff geflossen. Im Jahr 2004 waren es lediglich 2% der Getreideproduktion und praktisch kein Pflanzenöl, schreibt Lomborg.

Ein Landwirt, der heute Mais anbaut, hat angesicht des hohen Bedarfs der Ethanolbrennereien gute Absatzchancen, bessere Absatzchancen unter Umständen, als würde er Weizen oder Sojabohnen anbauen. Denn diese können „nur“ exportiert oder im Inland an Futter- und Nahrungsmittelhersteller verkauft werden, während bei Mais noch die Energiebranche ihre Händler schickt.

Nach einer besonders schwachen Wachstumsperiode werden jetzt die Folgen dieser Politik sichtbar: Der für die weltweiten Lebensmittelpreise von den Vereinten Nationen berechnete Nahrungsmittelpreisindex steigt seit Jahresbeginn von einem Rekordhoch zum nächsten. Der Preis von Mais entwickelt sich in den USA weitaus besser, als jener von Weizen und Soja. Auf 12-Monatssicht verteuerte sich Mais um 103%, Weizen um 70% und Sojabohnen um 47%. In Europa steigt der Preis für Raps schier unaufhörlich weiter an und bildete – wohl dank seiner Verwendung für die Herstellung von Biodiesel – eine Outperformance gegenüber Nicht-Energiegetreide aus.

Die Preise von Nahrungsmitteln sind durch die politischen Vorgaben zur Verwendung von stärkehaltigen Pflanzen und Nahrungsmitteln zu Biokraftstoffen an die Preisentwicklung von Erdöl gekoppelt. Die zunehmend technologielastige Produktion von Agrargütern wurde ohnehin schon vor der Biokraftstoffförderung von der Ölpreisentwicklung beeinflusst. Nun hat sich diese Nahrungs-Öl-Kopplung verstärkt. Wenn die Preise für Öl nach oben steigen, klettern auch die Margen der Biokraftstoffhersteller an. Sie fragen dann vermehrt Getreide nach, um ihre Produktion zu erhöhen und ihre Gewinne zu maximieren. Landwirte, die diese erhöhte Nachfrage verspüren, bauen im nächsten Jahr mehr stärkehaltige Getreidesorten an, die sie auch an die Energiebranche verkaufen können, und weniger andere Getreide. Durch diese Kausalkette schlägt ein steigender Ölpreis direkt in teurere Nahrungsmittel um – und zwar über nahezu alle Nahrungsmittel hinweg.

Mais technisch bei 6,66 Dollar/Scheffel gut unterstützt. Preise über 7,76 Dollar bringen neues Aufwärtspotenzial.

Eine direkte Partizipation am Maispreis bietet das Open-End-Zertifikat der HVB (WKN: HV2ATZ) auf den Dow Jones UBS Corn Subindex an. Kurvenneutral investiert der Anleger entlang der gesamten Terminkurve von Mais über das entsprechende Vontobel-Produkt (WKN: VT1FCH) auf den Corn Total Return Index des JPMCCI. Eine Quanto-Euro-Variante eines lineraren Mais-Produkts stammt von Goldman Sachs (WKN: GS5HH5).

Dieser Artikel ist in unserer Sonderpublikation Rohstoffe erschienen. Weitere spannende Themen können Sie nach einer kurzen kostenfreien Anmeldung hier herunterladen.

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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