Fundamentale Nachricht
13:22 Uhr, 30.04.2014

Das spanische Wunder

Erwähnte Instrumente

  • IBEX 35
    ISIN: ES0SI0000005Kopiert
    Kursstand: 10.438,01 Punkte (Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Die Sozialproduktzahlen Spaniens für das erste Quartal zeigen eine Dynamik, die von wenigen für möglich gehalten wurde.
  • Viele Faktoren haben dazu beigetragen. Das wichtigste war die Verbesserung der Wettbe­werbsfähigkeit.
  • Spanische Aktien sind schon stark gestie­gen. Die Rallye ist aber noch nicht zu Ende.

Die Nachricht, die mich in der vorigen Woche am meis­ten überraschte, war die Bekanntgabe der Zahlen für das spanische Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal. Es ist preisbereinigt um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal gestiegen. Das ist das vierte Wachstumsplus in diesem Land nacheinander. Die Expansion war in den ersten drei Monaten so hoch wie seit 2010 nicht mehr. Die Grafik zeigt den bemerkenswerten Umschwung seit Anfang 2013.

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Das ist ein großer Erfolg für Spanien. Das Land hat es nach vielen Entbehrungen endlich geschafft, die Rezes­sion hinter sich zu lassen. Wenn sich die Dynamik so fortsetzen sollte, dann werden die bisherigen Wachs­tumsprognosen (1 % im Jahr 2014, 1,7 % im Jahr 2015 laut EU-Kommission) deutlich überschritten. Es ist nicht auszuschließen, dass Spanien in diesem Jahr so schnell wächst wie Deutschland.

Es ist aber auch ein Erfolg für den Euroraum insgesamt. Es bestätigt die Verbesserungen, die schon seit einiger Zeit erkennbar sind. Die Target-Salden, die ein guter In­dikator für die Lage im Euroraum sind, sind in den letz­ten zwei Jahren um EUR 180 Mrd. zurückgegangen. Entsprechend sind Forderungen der Bundesbank an die anderen Mitglieder der Gemeinschaft zurückgezahlt wor­den.

Die spanischen Wachstumszahlen sind vielleicht ein noch wichtigerer Indikator als die Rückkehr Griechen­lands und Portugals an die internationalen Finanzmärk­te. Denn hier handelt es sich nicht um eine Verbesse­rung der Stimmung der Investoren (die von einem Tag auf den anderen umschlagen kann). Hier geht es um Hard Facts der Realwirtschaft. Was produziert wurde, kann nicht mehr wegdiskutiert werden.

Natürlich darf man nicht übertreiben. Die Krise ist noch nicht zu Ende. Das spanische Bruttoinlandsprodukt liegt preisbereinigt deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch.

Drei Lehren kann man aus den spanischen Erfahrungen ziehen. Erstens braucht es – vor allem in dem gegen­wärtig guten weltwirtschaftlichen Umfeld – keine spezi­fischen Wachstumsprogramme, um aus der Krise he­rauszukommen. Das Wachstum in Spanien resultiert allein aus Marktkräften. Es kommt vom Export und –
zö­gernd noch – von der Binnennachfrage. Auch die Zin-sen waren in Spanien nicht niedriger als in anderen Mit­gliedsländern. Dabei hatte Spanien eine Hypothek, die die anderen nicht in dem Maße hatten: Es musste eine Immobilien- und Bankenkrise bewältigen, die größer war als in anderen Staaten.

Zweitens: Von all den Maßnahmen, die von den Schuld­nerländern gefordert wurden, ist das Wichtigste die Re­form der Arbeitsmärkte und damit zusammenhängend die Verringerung der Lohnstückkosten. Sie sind in Spa­nien seit Anfang 2010 um über 15 % gesunken. Das hat die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessert. Wich­tig war auch, dass sich das Klima in den Unternehmen und bei den Beschäftigten geändert hat. Immer wieder hört man jetzt auch von deutschen Unternehmen, dass sie Produktionsverlagerungen nach Spanien erwägen, weil die Arbeitsbedingungen dort besser sind.

Drittens: Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte, die immer wieder eingefordert wird, ist wichtig für die Glaubwürdigkeit der Regierung gegenüber den Partnern und den internationalen Gläubigern. Für die Verbesse­rung der Realwirtschaft spielt sie nicht eine so große Rolle. Spanien hinkt hier gegenüber den Vorgaben noch weit zurück. Sein Budgetdefizit liegt noch bei 7 % des BIP. Das ist insofern bemerkenswert, als Spanien in den ersten zehn Jahren des Euro immer als finanzpolitischer Musterknabe galt.

Aus meiner Sicht kann man die Erfahrungen Spaniens auch auf andere Länder im Euroraum übertragen. Ge­genüber Griechenland und Portugal hat Spanien freilich den Vorteil, dass es über eine gute industrielle Basis verfügt. Verbesserungen bei der Wettbewerbsfähigkeit übertragen sich daher schneller in Exporterfolge. In Griechenland und Portugal wird das länger dauern.

Frankreich und Italien, die bisher noch keine Reform- und Anpassungsmaßnahmen ergriffen haben, können von Spanien Hoffnung schöpfen. Wenn sie die Lohn­stückkosten verringern und die Arbeits- und Gütermärkte reformieren, wird es nicht lange dauern, bis sich der Er­folg einstellt. Aber sie müssen etwas tun. Das Ende der Krise gibt es nicht umsonst.

Die spanischen Erfahrungen haben aber auch für Deutschland Bedeutung. Bei Reformen herrscht in der Bundesrepublik derzeit Stillstand. Das kann sich das Land leisten, weil es derzeit so gut dasteht. Reformen sind aber eine Investition in die Zukunft. Wenn Deutsch­land seine Position in den kommenden Jahren halten will, darf es sich nicht nur auf dem Erreichten ausruhen. Sonst könnte es eines Tages sein, dass Spanien das "neue" Deutschland ist.

Für den Anleger

Am Madrider Aktienmarkt ist die Verbesserung schon seit einiger Zeit sichtbar. Seit Mitte 2012 ist der IBEX um rund 70 % gestiegen. Analysten haben nicht ganz un­recht, wenn sie die Bewertung aufgrund der aktuellen Kurse schon für hoch halten. Andererseits befindet sich Spanien fundamental gesehen erst in der ersten Phase der Verbesserung. Da ist noch ein weiter Weg zu gehen. Wenn der Index nur das Niveau von vor der Krise errei­chen sollte (der DAX liegt 20 % darüber), dann müssten die Kurse in Madrid noch einmal um über 50 % zulegen.

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