Kommentar
09:02 Uhr, 15.06.2011

„Das Interesse an Agrarrohstoffen ist deutlich gestiegen“

Interview: Mit Joachim Radon, Händler an der Börse Stuttgart

Die Volatilität der globalen Märkte macht auch vor Agrarrohstoffen nicht Halt. Das teilweise geradezu spektakuläre Auf und Ab lässt Anleger vorsichtig werden: Das Spekulationsverhalten ist von immer kürzerer Haltedauer geprägt.

Weizen, Mais, Zucker: Wie positionieren sich die Anleger?

Während die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt haben, dass private und institutionelle Anleger bei Agrarrohstoffen gerne auf steigende Kurse setzen, hat sich dieses Bild gewandelt: Es wird immer kurzfristiger spekuliert. Mais zum Beispiel schwankt derzeit zwischen 6,20 und 7,75 US-Dollar je Scheffel. Auch bei Zucker ist dieser Trend zu beobachten. Inzwischen gehen auch die Institutionellen bei Schwankungen mit. Die Privatanleger orientieren sich in ihrem Anlageverhalten zumeist an den Großen.

Auch Baumwolle ist in den vergangenen Monaten immer teurer geworden...

Die Preisschwankungen bei Baumwolle sind inzwischen so gravierend, dass wir täglich mit Handelsaussetzungen zu tun haben. An den Börsen von Chicago und London werden die Preise für Baumwolle wegen großer Schwankungen immer wieder ausgesetzt. Die Emittenten haben dann keine Möglichkeit mehr, sich über den Basiswert abzuhedgen – und können damit keine Preise stellen.

Warum gibt es seitens der Anleger ein gesteigertes Interesse an Agrarrohstoffen?

Dieses Phänomen hängt mit der kontinuierlichen und gesteigerten Berichterstattung der Medien zusammen. Seit einiger Zeit wird verstärkt und umfassend über globale Entwicklungen und Megatrends berichtet. Die Medien haben die Herausforderungen der steigenden Weltbevölkerung im Zusammenhang mit den kaum noch ausreizbaren Anbauflächen erkannt. Vor allem Börsenbriefe widmen sich seit einiger Zeit diesem Themenkomplex und legen dar, warum es sich für Anleger lohnt in Agrarrohstoffe zu investieren.

Beeinflusst die große Liquidität an den Märkten ebenfalls den Run auf Agrarrohstoffe?

Auf jeden Fall. Die Märkte sind im Zuge der Wirtschaftskrise mit Liquidität geflutet worden. Dieses Geld fließt nicht nur in Edelmetalle, sondern eben auch in Agrarprodukte.

Gibt es Marktereignisse, die das besondere Interesse der Anleger finden?

In der Tat: Wenn der monatliche Erntebericht des US-Landwirtschaftsministeriums veröffentlicht wird, spekulieren die Anleger bereits im Vorfeld mit Hingabe. Es sind deutlich mehr Umsätze festzustellen und teilweise wird mit großen Hebeln gehandelt. Weil Anleger auf steile Kursbewegungen setzen, sind saftige Gewinne drin, allerdings ist die Gefahr eines Knockout bis hin zum Totalverlust immer gegeben.

Wie reagieren die Emittenten auf den Rohstoffboom?

Derzeit sind rund 2700 Produkte auf Kaffee, Mais, Zucker und Weizen handelbar. Zum Vergleich: Im Februar 2010 waren es noch 1750 Produkte. Deutlich mehr Emittenten als zuvor bedienen den Markt. Als ich an der Börse vor mehr als 10 Jahren angefangen habe, konnte man etwa bei Gold und Öl auf steigende und fallende Preise setzen. Über die Jahre haben die Emittenten eine Vielzahl von Produkten aufgelegt – die von Schweinehälften über Lebendrind bis hin zu Palmöl und Orangensaft reichen – kurz: die Palette wurde deutlich ausgeweitet.

Dieser Artikel ist in unserer Sonderpublikation Rohstoffe erschienen. Weitere spannende Themen können Sie nach einer kurzen kostenfreien Anmeldung hier herunterladen.

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