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18:09 Uhr, 04.07.2024

Cipollone: EZB muss Risiken bei KI-Nutzung beachten

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones) - Die Europäische Zentralbank (EZB) nutzt nach Aussage von EZB-Direktor Piero Cipollone Künstliche Intelligenz auf unterschiedliche Weise, muss sich aber der Risiken bewusst bleiben, die das mit sich bringt. Eines dieser Risiken besteht nach seiner Aussage darin, dass die EZB in eine zu große Abhängigkeit von KI gerät. "Zum Beispiel kann eine größere Abhängigkeit von KI unbeabsichtigt das Risiko erhöhen, in eine 'Echokammer'-Falle zu geraten", sagte er in einer Statistik-Konferenz im Rom laut veröffentlichtem Redetext.

Da Sprachmodelle (Large Language Models - LLMs) auf der Grundlage verfügbarer Daten und Informationen trainiert würden - die im Laufe der Zeit zunehmend ebenfalls von KI erzeugt würden - bestehe die Gefahr, dass KI selbstreferenziell werde oder bestehende Vorurteile wiederhole. "In dem Maße, in dem diese Dynamik die Auswirkungen der Zentralbankkommunikation auf die Märkte verstärkt, während die Zentralbanken Informationen eben an diesen Märkten zu gewinnen versuchen, könnte dies das Risiko der Entstehung von Echokammern der Zentralbanken erhöhen", sagte er.

Auf diese Weise könnte sich Cipollone zufolge die Risiken des Einsatzes von Forward Guidance erhöhen. "Ein übermäßiges Vertrauen in KI könnte auch unsere eigene operative Widerstandsfähigkeit verringern. In dem Maße, in dem KI zu einem festen Bestandteil unserer Arbeitsweise wird, könnten wir in unseren Kernaufgaben immer abhängiger von ihr werden", gab der EZB-Direktor außerdem zu bedenken.

Deshalb sei es so wichtig, die Eigenschaften der verwendeten KI-Algorithmen und -Modelle zu verstehen, um die Risiken eines möglichen "Blackbox"-Effekts zu verringern. Ebenso könnte die KI, wenn sie nicht verantwortungsvoll eingesetzt werde, die Vielfalt und Originalität des Denkens unterdrücken und damit das Risiko von Gruppendenken und eines Confirmation Bias erhöhen.

Nach Cipollones Aussage nutzt die EZB KI derzeit unter anderem bei der Analyse ökonomischer Daten, weil sie eine schnellere Entscheidungsfindung - wichtig vor allem in Krisen ermögliche. So gebe es eine Echtzeitschätzung (Nowcasting) der Inflation unter Einsatz von LLMs bei der Datenklassifikation. Getestet werde gegenwärtig der Einsatz von Maschinenlernen. "Diese Modelle schneiden im Vergleich zu unseren konventionellen Prognosen und umfragebasierten Messungen der Inflationserwartungen bereits gut ab", sagte der EZB-Direktor.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

DJG/hab/jhe

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