Kommentar
17:00 Uhr, 19.02.2016

Chinas Masterplan

Die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft macht weiterhin Schlagzeilen, ist aber nur ein Aspekt des Gesamtbilds. Schließlich und endlich geht es darum, dass Peking sich durch Reformen und umfassendere globale Projekte auch auf internationalem Parkett einen Platz sichern will.

Chinas zunehmende Präsenz auf der internationalen Bühne bedeutet notwendigerweise auch einen innenpolitischen Umbruch. Die jüngsten Korrekturen an den Devisen- und Aktienmärkten des Landes sandten indes Schockwellen durch die Welt. Das Reich der Mitte befindet sich im Wandel, und für den Rest der Welt kommt dies ein wenig zu schnell. Wandel bedeutet Unsicherheit. Das gilt umso mehr, als China nicht gerade mit offenen Karten spielt, was seine weiteren Absichten betrifft. Nach Ansicht mancher Marktbeobachter beruht dieser Mangel an Transparenz vor allem darauf, dass Peking selbst nicht genau weiß, wo es lang geht. Wir sind da anderer Ansicht.

Nach unserem Dafürhalten wissen die politisch Verantwortlichen in China ganz genau, wo sie hinwollen. Ihr ultimatives Ziel ist die Konsolidierung von Chinas Platz in der Welt durch Wirtschafts- und Handelsbeziehungen. Intern geht es darum, zuverlässiges und anhaltendes Wachstum zu sichern und so die Herrschaft der kommunistischen Partei zu legitimieren.

Chinas innen- und außenpolitische Reformen und Initiativen sind untrennbar miteinander verwoben. Das bedeutet letztlich auch den Fall der sprichwörtlichen Mauer, die die chinesische Wirtschaft bislang abgeschirmt hat. Zu den anstehenden Veränderungen zählen u. a. die Freigabe der Währung, Öffnung der Kapitalbilanz, zunehmendes geopolitisches Engagement, inländische Finanzreformen (z. B. die Finanzierung von Lokalregierungen, Zinsen usw.), die Seidenstraßeninitiative „One Belt, One Road“, um die traditionellen Überland- und Seehandelsrouten nach Zentralasien wiederzubeleben, sowie die Schaffung einer Asian Infrastructure Investment Bank, die Chinas Einfluss rund um den Erdball verstärken soll.

Das sind zweifelsohne komplexe Veränderungen, die simultan in Angriff genommen werden. Es kann daher nicht überraschen, dass die Fortschritte nicht immer ganz reibungslos verlaufen. So hat China beispielsweise vor, mit der Öffnung seiner Kapitalbilanz auch seine Währung zunehmend den Marktkräften zu überlassen. Aus diesem Grund führte China am 11. August 2015 ein neues Währungsfixing ein. Nachdem das jedoch einen massiven Kurssturz des Renminbi auslöste, griffen die politisch Verantwortlichen erneut ein – diesmal, um die übermäßige Volatilität der Währung einzudämmen. Unserer Einschätzung nach wird China schließlich die geplante Währungsreform umsetzen, allerdings zu einem günstigeren Zeitpunkt.

Chinas Kritiker neigen dazu, derartige Ereignisse als Beweis für den zunehmenden Kontrollverlust der chinesischen Führung zu sehen, und zwar nicht nur im Hinblick auf die Finanzmärkte, sondern auch die Wirtschaft als Ganzes. Diese Sicht scheint indes wohl eher auf Sensationsmache zu beruhen, denn es ist – weltweit – durchaus nicht ungewöhnlich, dass die politischen Entscheidungsträger ihren Kurs anpassen, wenn die Umstände dies erfordern. Bei China werden indes striktere Maßstäbe angelegt. China entwickelt sich mit atemberaubender Geschwindigkeit, wird sein Tempo bei Bedarf jedoch anpassen. Sehr zum Verdruss der übrigen Welt schaffen die scheinbar willkürlichen Entscheidungen Pekings Unsicherheit. Doch der Masterplan besteht unverändert fort und China hat ein klares Ziel vor Augen.

Autor: Peter Sengelmann, Senior Portfolio Manager, Emerging Market & Asian Debt – Local Currency and Local Bonds bei NN Investment Partners, Singapur

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