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12:00 Uhr, 24.07.2024

Bundeskabinett stimmt Importstrategie für Wasserstoff zu

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones) - Das Bundeskabinett hat der Importstrategie für Wasserstoff zugestimmt, mit der die Dekarbonisierung besonders der Industrie erleichtert werden soll. Das Bundeswirtschaftsministerium legte eine Strategie vor, die einen klaren und verlässlichen Rahmen für die dringend benötigten Importe von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten nach Deutschland festlegen soll. Das Ministerium sieht in seiner Strategie einen wesentlichen Baustein seiner Wasserstoffpolitik, der den heimischen Marktaufbau ergänzen soll. Deutschland befindet sich in einer Konkurrenzsituation mit anderen Ländern, die ebenfalls dekarbonisierten und erneuerbaren Wasserstoff für ihre geplante Klimaneutralität benötigen.

Mit der Strategie will die Regierung eine nachhaltige, stabile, sichere und diversifizierte Versorgung mit ausreichend Wasserstoff und Wasserstoffderivaten sicherstellen. Deutschlands Bedarf an Wasserstoff und Wasserstoffderivaten wie etwa Ammoniak und Methanol wird für 2030 auf insgesamt 95 bis 130 Terawattstunden (TWh) geschätzt. Die Wasserstoffnachfrage steigt nach Schätzungen der Bundesregierung dann bis 2045 auf 360 bis 500 Terawattstunden, die Nachfrage für Wasserstoffderivate auf 200 Terawattstunden. Dabei sollen 50 bis 70 Prozent des Bedarfs durch Importe im Jahr 2030 aus dem Ausland gedeckt werden. Laut Wirtschaftsministerium ist davon auszugehen, dass der Importanteil nach 2030 weiter steigt.

"Ein Großteil des deutschen Wasserstoffbedarfs wird mittel- bis langfristig durch Importe aus dem Ausland gedeckt werden müssen. Die Importstrategie bildet dafür den Rahmen. Sie sendet ein klares Signal an unsere Partner im Ausland: Deutschland erwartet im Inland eine große und stabile Nachfrage nach Wasserstoff und Derivaten und ist ein verlässlicher Partner und Zielmarkt für Wasserstoffprodukte", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Er zeigte sich überzeugt, dass die Importstrategie Investitionssicherheit für die Wasserstoffproduktion in Partnerländern, den Aufbau notwendiger Importinfrastruktur und für die deutsche Industrie als Abnehmer schaffen wird.

   Verlässliche Versorgung 

Ziel der Importstrategie ist es laut Bundesregierung, die Deckung des deutschen Importbedarfs an Wasserstoff und seinen Derivaten sicherzustellen sowie eine resiliente Versorgung zu gewährleisten. Nach einer Übergangsphase mit dem Import auch von kohlenstoffarmem Wasserstoff soll schließlich vor allem umweltfreundlich hergestellter grüner Wasserstoff und Wasserstoff-Derivaten nach Deutschland importiert werden. Dabei verfolgt die Regierung den parallelen Aufbau von Importinfrastrukturen für Pipeline- und Schiffstransporte.

Bei dem importierten Wasserstoff über Europa soll vor allem auf Pipelines gesetzt werden. Importe aus Ländern außerhalb der Europäischen Union sollen zunächst vor allem über Schiffe nach Deutschland transportiert werden. Partnerländer sind vor allem Norwegen und Großbritannien, aber auch Namibia, Saudia-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate.

Aber auch die Pipelines sollen für Wasserstoff ausgebaut werden. Zuvor hatten die Fernnetzbetreiber einen Antrag über den Aufbau des Kernnetzes mit einer Gesamtlänge von 9.666 Kilometer gestellt. Von dieser Länge sind rund 60 Prozent umzustellende Leitungen, die aktuell noch Erdgas transportieren. Die Investitionskosten werden nach Angaben der Bundesnetzagentur auf 19,7 Milliarden Euro geschätzt. Ein Teil der Leitungen wird durch Bund und Länder gefördert.

Die Bundesregierung setzt vor allem auf grünen Wasserstoff, der aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne gewonnen wird. Dazu sollen mehr Elektrolyseanlagen gebaut werden. Vor allem in der Stahlindustrie, aber auch der Chemieindustrie sowie der Logistikbranche wird mit einer Nachfrage nach Wasserstoff gerechnet.

   Produktion von Wasserstoff in Deutschland nicht vernachlässigen 

Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) erwartet, dass importierter Wasserstoff auch noch langfristig eine wichtige Säule der deutschen Energieversorgung bilden wird. Gleichzeitig mahnte er, dass die Wasserstoff-Importstrategie die Produktion in Deutschland nicht überschatten dürfe. "Die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland ist ein wichtiger Baustein für die Wertschöpfung vor Ort", sagte VDI-Direktor Adrian Willig.

Bei der Umsetzung der Importstrategie der Regierung sei darauf zu achten, dass der Hochlauf des Imports schnell und flexibel starten könne, denn Deutschland befinde sich im Wettbewerb mit anderen Importländern. In den ersten Jahren des Hochlaufs werde Deutschland aufgrund der begrenzten internationalen Verfügbarkeiten und des gleichzeitig enormen nationalen Bedarfs nicht nur auf grünen Wasserstoff setzen können. "Auch Derivate werden eine entscheidende Rolle spielen, den Hochlauf eine Wasserstoffwirtschaft anzutreiben", sagte Willig.

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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