Brasiliens Kaffee-Poker
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Hektisches Treiben an den Kaffeemärkten: Innerhalb von nicht einmal sechs Wochen sind die Terminnotierungen für die Sorte Arabica erst um 20 Prozent gestiegen, und dann wieder um den gesamten Betrag gefallen. Zuletzt wird ein Pfund Arabica-Bohnen bei 2,36 US-Dollar gehandelt. Experten rätseln über die volatilen Kursausschläge: Steht der Kaffeemarkt vor einer Trendwende?
Eine erhöhte Volatilität tritt an Märkten besonders häufig an wichtigen Hoch- und Tiefpunkten auf. Unmittelbare Auslöser der Schwankungen sind widersprüchliche Signale. Einerseits sorgt eine Verknappung besonders hochwertiger Arabica-Bohnen aus Brasilien für hohe Preise, da auch die Lagerbestände bei den Röstereien in Europa niedrig sind. Obwohl sich Brasilien in einem so genannten „Haupternte-Jahr“ befindet und die kleinere Haupternte erst im nächsten Jahr ansteht, sind Unternehmen wie Starbucks derzeit vergeblich auf der Suche nach günstigem, hochqualitativem Kaffee. Die Verknappung der hohen Qualitäten verteuert den gesamten Kaffee-Komplex. Die Lieferanten in Kolumbien und Brasilien kennen diese Situation genau. Sie wissen, dass die Endnachfrage nach Kaffee in den westlichen Ländern unelastisch ist – sie reagiert kaum auf Veränderungen des Kaffeepreises. In der Hoffnung noch höherer Preise scheinen brasilianische Kaffeeproduzenten Exporte aufzuschieben, um den Markt damit künstlich zu verknappen und die Preise nach oben zu treiben.
Der Bluff der brasilianischen Farmer könnte allerdings auffliegen. Denn spätestens wenn erste nervöse Farmer verkaufen, wenn die Preise weiter fallen, müssen auch alle anderen folgen, denn bereits monatealte Kaffeebohnen können nur noch mit einem Abschlag zu den gehandelten Referenzpreisen verkauft werden. Das könnte eine Liquidationswelle und schnell fallende Preise auslösen. Allerdings ist Kaffee wegen dessen geringer Preiselastizität ein fast rezessionsresistenter Rohstoff, wie etwa auch die Entwicklung der Nachfrage in den vergangenen Jahren zeigt. Egal, ob die Wirtschaftsleistung in den wichtigen Nachfrageregionen Japan, Europa oder den USA nach oben oder unten zeigte, die Nachfrage nach Kaffee wuchs stets mit durchschnittlich 2,3% pro Jahr.
Auch in der bis Herbst 2012 dauernden Saison wird ein Nachfrageplus von 1,8% erwartet. Dabei soll die Ernte um 6,7% von 133,1 auf 142 Millionen 60-Kilogramm-Säcke wachsen können. Das Kaffeeangebot auf dem Weltmarkt bis Herbst 2012 könnte die Nachfrage also um 3,5 Millionen 60-Kilogramm-Säcke übersteigen. Wer alleine daraus nun aber einen stark fallenden Preis ableitet, könnte falsch beraten sein. Denn das Problem sind die Lagerbestände. Sie sind seit dem Jahr 2005 von 41,9 auf 22,7 Millionen 60-Kilogramm-Säcke gefallen. Kurzfristig könnte eine Verkaufswelle spekulativer Marktteilnehmer also den Markt belasten. Langfristig müssen aber die Ernten wieder gut laufen, um die Preise dauerhaft auf ein niedrigeres Niveau zu senken.
Autor: Jochen Stanzl, Chefredakteur Rohstoff-Report
Der Rohstoff-Report ist eine Publikation der BörseGo AG
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.