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08:30 Uhr, 01.07.2024

BIZ mahnt Zentralbanken zu Realismus

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones) - Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat die Zentralbanken gemahnt, in der Verfolgung ihrer Ziele realistisch zu bleiben und Fine Tuning zu vermeiden. In einem Rückblick auf die ersten 20 Jahre des 21. Jahrhunderts, den sie im Rahmen ihres Jahresberichts veröffentlichte, kommt die BIZ außerdem zu dem Urteil, dass die Zentralbanken ihrer Geldpolitik nach dem Ende der Pandemiekrise zu spät gestrafft haben.

   Zentralbanken sollten realistisch bleiben 

Realismus in Bezug auf das Ziel der Preisstabilität bedeutet aus Sicht der BIZ zweierlei: "Erstens bedeutet es, nicht zu versuchen, die Inflation feinzujustieren, wenn bereits ein Regime niedriger Inflation besteht. Die Erfahrungen nach der globalen Finanzkrise haben gezeigt, wie schwierig dies ist", schreibt sie. Ein realistischeres Ziel sei es, die Inflation "weitgehend" in diesem Regime zu halten, in dem sie das Verhalten kaum beeinflusse und selbststabilisierende Eigenschaften zeige. "Dies wiederum wäre nicht mit einer Anhebung der derzeitigen Inflationsziele vereinbar", merkt die BIZ an.

Zweitens bedeutet es laut BIZ, entschieden zu reagieren, wenn die Inflation stark über diesen Bereich hinaus ansteigt und es zu einer Verfestigung zu kommen droht - insbesondere angesichts der sich selbst verstärkenden Natur von Übergängen von Niedrig- zu Hochinflationsregimes. "Es ist eine Sache, ein Fine Tuning zu vermeiden und die selbststabilisierenden Eigenschaften des Niedriginflationsregimes zu nutzen. Es ist etwas ganz anderes, die selbstregulierenden Eigenschaften des Systems auf die Probe zu stellen", schreibt die BIZ.

   Zentralbanken reagierten zu langsam auf starken Inflationsanstieg 

Die Zentralbanken haben nach dem Urteil der BIZ zu langsam auf den starken Anstieg der Inflation nach dem Ende der Corona-Pandemie reagiert, weil sie trotz steigender Preise in der Vorstellung verharrten, dass das Niedriginflationsumfeld Bestand haben würde. "Sie stellten sich eine Welt mit anhaltenden disinflationären Tendenzen vor, in der das Kernproblem immer noch darin bestehen würde, die Inflation wieder auf das Zielniveau zu bringen und einem Abwärtstrend der Inflationserwartungen vorzubeugen", erläutert die BIZ.

Nach einer so langen Phase hartnäckiger Zielverfehlungen könnten Inflationsüberschreitungen in dieser Hinsicht sogar hilfreich sein, solange sie in Grenzen blieben. Zudem hätten die Zentralbanken wohl auch die expansive Wirkung von Geld- und Fiskalpolitik unterschätzt.

   Marktwirkungen von QE und QT sind unterschiedlich 

Zu den Lehren aus den vergangenen 20 Jahren gehört nach Aussage der BIZ auch die Erkenntnis, dass der massen hafte Ankauf von Wertpapiere durch Zentralbanken (QE - Quantitative Easing) anders auf die Finanzmärkte wirken kann als ihrer massenhafter Verkauf (QT - Quantitative Tightening). Das liegt nach ihrer Aussage vor allem daran, dass QE mit einem starken Ankündigungseffekt einhergeht. Dieser Effekt falle umso stärker aus, je größer der Stress an den Finanzmärkten zum gegebenen Zeitpunkt sei.

Bei der Ankündigung von QT hätten sich die Zentralbanken jedoch bemüht, die Sache berechenbar zu machen und herunterzuspielen. So hätten sie betont dass der Abbau von Wertpapiere nur "im Hintergrund" verlaufe, während das geldpolitische Signal nun wieder vom Zins ausgehe. Gleichwohl beeinflusst QT die Märkte der BIZ zufolge durchaus stark, und zwar wie bei QE über Portfolioeffekte.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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