Kommentar
10:10 Uhr, 21.03.2012

Bernanke mag den Goldstandard nicht

Ben Bernanke, Chairman der US-Notenbank, gab gestern seine erste Vorlesung der vierteiligen Serie "Die Federal Reserve und ihre Rolle in der heutigen Wirtschaft".

Die erste Vorlesung, gehalten von Ben Bernanke an der George Washington University School of Business, kann in diesem Video angesehen werden: Link.

Während seiner Vorlesung konzentrierte sich Ben Bernanke auch eine ganze Weile auf den Goldstandard. Zentrale Aussagen:

  • Um einen Goldstandard zu etablieren, müsste man Gold aus Südafrikas Minen graben, um es dann in einem Keller in New York zu lagern. Das sei "unsinnig".
  • Der Goldstandard erzeuge Interdependenzen der einzelnen Wirtschaftsräume zueinander. Wenn das britische Pfund an Gold gekoppelt wäre, und der US-Dollar wäre an Gold gekoppelt, dann wäre automatisch der britsiche mit dem amerikanischen Wirtschaftsraum verknüpft. Krisen Großbritannien würden sich somit auch auf die US-amerikanische Wirtschaft übertragen, und umgekehrt. Dieser Nachteil sei nicht überwindbar.
  • Der Goldstandard erzeuge phasenweise Deflation. Bei dieser Aussage berief sich Bernanke auf den dreimaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten im 19. Jahrhundert, William Jennings Bryan. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts habe eine Verknappung von Gold auf dem Weltmarkt eine Deflation erzeugt. Landwirte etwa, die ihre Schulden an Gold koppelten, verdienten beim Verkauf ihrer Waren weniger, mussten aber ihre Hypotheken und Kredite mit weiterhin konstanten Goldmengen stunden. Dies habe zu Massenpleiten geführt.
  • Der Goldstandard tendiere dazu, steigende Zinsen in konjunkturellen Abschwungphasen und fallende Zinsen in Aufschwungphasen zu erzeugen. Dies sei das Gegenteil dessen, was Geldpolitik tun sollte.
  • Die Wirtschaftsentwicklung habe sich unter einem Goldstandard in der Vergangenheit weitaus volatiler entwickelt.
  • Die einzige Bedingung, unter der ein Goldstandard funktionieren würde, wäre jene, dass die Zentralbank AUSSCHLIEßLICH dafür da ist, den Goldstandard zu wahren. Sobald auch nur ein weiteres Ziel hinzukomme (wie die Senkung der Arbeitslosenquote), bricht der Goldstandard zusammen.
  • Goldstandards würden spekulative "Runs" auf die Zentralbank erzeugen, die meist nicht genügend Gold vorrätig hält, um die Bürger auszuzahlen.

Ich finde diese Aussagen absolut korrekt. Unter einem Goldstandard entspricht die Geldmenge dem Goldangebot, und wenn das Goldangebot steigt, gibt es eine inflationäre Entwicklung, und wenn sie fällt, eine deflationäre (mehr dazu in unserer [Link "Research-Studie" auf www.godmode-trader.de/... nicht mehr verfügbar] zu diesem Thema ab Seite 42). Das zeigt zumindest die Erfahrung der Vergangenheit. Bernanke macht die meisten Aussagen unter der Annahme, dass es noch eine Zentralbank gibt, die Aufgaben wahrnimmt. Die Verfechter eines echten Goldstandards würden aber die "reine" Form wählen - sprich: Die Zentralbank hat nur eine Aufgabe: Die Wahrung des Goldstandards. Unter diesen Umständen hält Bernanke einen Goldstandard für möglich. Aber zwischen den Zeilen kann man lesen, dass er eine derartige Lösung für ziemlich unrealistisch hält, vor allem wohl, weil politische Interessen einem reinen Goldstandard konträr entgegenstehen würden. Insgesamt erteilt Bernanke dem Goldstandard für die heutige Zeit eine klare Absage. Und ohne die USA braucht auch kein anderes Land der Erde mit sowas zu kommen. Also: Nix Goldstandard für absehbare Zeit.

Autor: Jochen Stanzl des Live-Commodities-Blogs www.limitup.de

Limitup.de ist ein Service der BörseGo AG

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