Bauwirtschaft verlangt sofortige Sonderförderung
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Die deutsche Bauwirtschaft hat die Bundes- und Landespolitik zu einer "sofortigen Sonderförderung des Wohnungsneubaus" aufgefordert. Konkret würden jährlich 23 Milliarden Euro an Subventionen benötigt: 15 Milliarden Euro für 100.000 neue Sozialwohnungen, und zusätzlich noch einmal 8 Milliarden Euro für den Neubau von 60.000 bezahlbaren Wohnungen. Das erklärte das Verbändebündnis Wohnungsbau beim Wohnungsbau-Tag unter Verweis auf Berechnungen des schleswig-holsteinischen Bauforschungsinstituts Arge. Es sei dringend notwendig, dieses Geld als "Ad-hoc-Förderung des Staates für den Wohnungsneubau" bereitzustellen. Außerdem müsse deutlich einfacher gebaut werden.
"Der Wohnungsbau steckt tief in der Krise. Die Folgen davon werden die deutsche Wirtschaft insgesamt hart treffen," so die Verbände. Das Wegbrechen des Wohnungsneubaus werde der Volkswirtschaft in diesem Jahr Milliarden-Verluste und dem Staat erhebliche Rückgänge bei den Steuereinnahmen bescheren, warnten sie. Gleichzeitig erlebe Deutschland einen neuen Rekord-Wohnungsmangel: Aktuell fehlten bereits mehr als 800.000 Wohnungen. Das sei sozialer Sprengstoff und lasse politische Unzufriedenheit wachsen.
Vor allem aber halte fehlender Wohnraum auch dringend gebrauchte Fachkräfte aus dem Ausland zunehmend davon ab, nach Deutschland zu kommen. Dies sei eine "fatale Entwicklung, bei der die Krise im Wohnungsbau einen Dominoeffekt und damit massiven Schaden für weite Teile der Wirtschaft auszulösen droht", so das Verbändebündnis, in dem sich neben dem Deutschen Mieterbund und der IG BAU Verbände der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie der Mauerstein-Industrie und des Baustoff-Fachhandels zusammengeschlossen haben.
Maßnahmenpaket statt Stückwerk nötig
"Unsere Unternehmen sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen gezwungen, den Neubau einzustellen, denn er ist nicht mehr bezahlbar - weder für die Bauherren noch für die künftigen Mieter", betonte der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko. Während der Neubau massiv einbreche, bleibe die Wohnungsnachfrage vor allem mit Blick auf die starke Zuwanderung auf einem hohen Niveau. "Die dramatische Lage auf den Wohnungsmärkten wird sich in den kommenden Jahren also weiter zuspitzen. Ein wirksames Maßnahmenpaket statt Stückwerk von zu zaghaften Lösungen ist deshalb dringend notwendig", mahnte er.
Um der anhaltenden Krise im Wohnungsbau endlich entgegenzuwirken brauche man an erster Stelle ein breit angelegtes Zinsprogramm für den bezahlbaren Wohnungsbau. "Ein Zinssatz von 1 Prozent könnte die Bautätigkeit enorm ankurbeln", erwartete er. Die daraus entstehenden Steuereinnahmen für den Staat glichen die Kosten der Zinssubvention wiederum aus. In Kombination mit der günstigeren seriellen und modularen Bauweise könnten Wohnungsunternehmen dann auch bezahlbare Mieten von 12 Euro pro Quadratmeter garantieren - statt derzeit notwendiger mindestens 18 Euro pro Quadratmeter, die sich kaum jemand noch leisten könne.
"Der Bedarf auf dem Wohnungsmarkt hat sich weiter erhöht", sagte Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten bei einer Pressekonferenz. "Das heißt, wir haben in diesem einen Jahr keine Fortschritte erzielt, was den notwendigen bezahlbaren zusätzlichen Wohnungsraum betrifft." Man habe es mit erheblichen Mietsteigerungen zu tun, die mit der Verknappung des Wohnungsangebots zusammenhingen. "Und wir müssen davon ausgehen, dass von den deutlich weniger Wohnungen, die gebaut werden, dann auch noch der größere Teil für Menschen ist, die viel Geld haben." Der bezahlbare Teil für die Menschen im unteren Einkommensdrittel hingegen "leidet große Not". Innerhalb dieses Jahres habe sich die Situation "erkennbar verschlechtert", meinte Siebenkotten.
Die Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Baustoff-Fachhandel, Katharina Metzger, konstatierte, man befinde sich inzwischen "nach dem Kipppunkt". Die Situation sei absurd: "800.000 Wohnungen fehlen und wir haben den dramatischsten Einbruch, den wir je verzeichnen konnten." Metzger kritisierte, Bauministerin Klara Geywitz (SPD) fokussiere sich auf die Baufertigstellungszahlen, doch aktuell brächen die Baugenehmigungen dramatisch ein. "Der Kipppunkt ist erreicht", bekräftigte sie. Erste Werke seien geschlossen worden, Unternehmen seien in Kurzarbeit, und eine Insolvenzwelle rolle. "Wir erfahren keinerlei positiven Signale, auf die wir alle so dringend warten", monierte sie. Habe der Abbau einmal begonnen, dauere es lange, wieder an vorherige Kapazitäten anzuknüpfen.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/kla
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