Am Ende wird alles gut, so oder so
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Die Anzeichen für eine Stabilisierung der Weltkonjunktur mehren sich. Setzt man für das III. Quartal 2013 gemäß ifo Institut die Einschätzung der Geschäftslage und der Geschäftserwartungen der Unternehmen des globalen Verarbeitenden Gewerbes zueinander in Beziehung, so befindet sich die Weltwirtschaft weiter im Aufschwung, auch wenn sich beide Subindices zuletzt leicht eingetrübt haben. Eine vergleichsweise unsichere konjunkturelle Großwetterlage in Asien und speziell in China ist hier verantwortlich. Für Lichtblicke sorgen dem gegenüber ein erheblich verbessertes Wirtschaftsklima in den USA sowie erste, wenn auch noch schwache konjunkturelle Erholungserscheinungen in der Eurozone.
„Der konjunkturelle Tiefpunkt in Euroland scheint durchschritten“
Konkret konnte in Euroland die Wirtschaftsleistung nach sechs Quartalen der Rezession in Folge im II. Quartal 2013 überraschend um 0,3 Prozent zum Vorquartal zulegen, vor allem dank der Wachstumsbeiträge Deutschlands und Frankreichs. In der Euro-Peripherie bleibt die konjunkturelle Lage angesichts der anfälligen politischen Situation, die für Reformen wenig Sympathie hegt, zwar schwierig. Immerhin mildert sich der Abschwung aber auch in Italien und Spanien mit einer nur noch leicht schrumpfenden Wirtschaft zum Vorquartal ab.
Jedoch ist in der zweiten Jahreshälfte nicht mit einer kräftigen Fortsetzung des Wirtschaftsaufschwungs zu rechnen, zumal im II. Quartal viele positive Nachholeffekte aus dem kalten Frühjahr zu beobachten waren. Aber ab 2014 dürfte die konjunkturelle Beschleunigung an Fahrt gewinnen. So schätzen die vom ZEW befragten Finanzanalysten den Konjunkturausblick in Euroland deutlich freundlicher ein als die aktuelle Konjunkturlage. Und auch für Deutschland zeigen sich die vom ZEW befragten Analysten für die aktuelle Konjunkturlage und den -ausblick gegenüber dem Vormonat optimistischer. Demnach ist die deutsche Konjunkturdelle Vergangenheit.
Problemlösung in Euroland: Wir machen es wie die Amerikaner
Damit zeigen die deutlich gelockerten Sparvorgaben der euroländischen Austeritätspolitik erste realwirtschaftliche Wirkung. So hinken Spanien und Frankreich mit ihren Sparfortschritten selbst gegenüber diesen geläuterten Vorgaben im Zeitplan hinterher. Dramatisch gestaltet sich weiterhin die Schuldenlage in Italien. Aufgrund der prekären Regierungskoalition geht dort politische eindeutig vor finanzpolitische Stabilität.
Die so oder so weiter abklingenden Euro-Krisensymptome werden aber offenkundig von den Finanzmärkten honoriert. So engen sich die Risikoaufschläge 10-jähriger spanischer und italienischer zu deutschen Staatsanleihen weiter ein und befinden sich aktuell auf dem niedrigsten Stand seit August 2011.
„Ab Herbst steht der Romanischen Schuldenunion nichts mehr im Wege“
Nach der Bundestagswahl im September dürften die aktuellen Stabilitätsbekundungen noch weiteren Lockerungen der Sparanforderungen und vermutlich einem griechischen Schuldenschnitt unter Beteiligung öffentlicher Investoren weichen. Die neue Bundesregierung - letzten Umfragen zufolge wünscht sich eine Mehrheit der Deutschen die Große Koalition - dürfte genug Entscheidungsgewalt besitzen, um auch unpopuläre Entscheidungen für den Zusammenhalt Eurolands durchzusetzen und der angestrebten Romanischen Schuldenunion die letzten Steine aus dem Weg räumen. Nennenswerte Opposition weder im Bundestag noch Bundesrat ist nicht zu befürchten. Es kann durchregiert werden. Bedingungsloser Feuerschutz kommt dabei von der EZB. Mit dem Einsatz zur Not auch unkonventioneller liquiditätspolitischer Maßnahmen ist sie das Rückgrat der Zwangsstabilisierung Eurolands.
Liquiditätswüste?...
Apropos Liquidität, international bleibt uns ein konjunktur- und finanzmarktfreundliches Liquiditätsumfeld erhalten. Denn selbst bei einer Abschwächung der Anleihenaufkäufe der US-Notenbank ab Oktober und schließlich ihrer Einstellung Mitte 2014 setzt sich die globale Liquiditätsoffensive dennoch unbeirrt fort. Denn schließlich sorgt die Bank of Japan ab 2014 mit einer nahezu Verdoppelung ihrer monatlichen Aufkäufe japanischer Staatsanleihen - von aktuell 7 Bio. Yen auf dann 13 Bio. Yen - für Kompensation. Unter dem Strich steigt die kumulierte Bilanzsumme beider Notenbanken als Konsequenz ihrer Liquiditätspolitik weiterhin kräftig an und dürfte sich vom aktuellen Zeitpunkt an bis Ende 2014 noch einmal um etwa 50 Prozent erhöhen.
Grafik der Woche: Bilanzsummen der US-Notenbank und Bank of Japan, jeweils einzeln und kumuliert, in Mrd. US-Dollar
„Bank of Japan ersetzt Fed als Liquiditätsversorger Nr. 1“
Als Liquiditätsversorger rückt Japan insofern an die weltweit erste Stelle. So werden über Japans zinsdrückende Liquiditätsoffensive mit dem Resultat einer schwachen japanischen Währung die Yen-Euro-Carry Trades - d.h. die zins- und wechselkursgünstige Geldaufnahme in Yen und Geldanlage in Euro - weiter an Bedeutung gewinnen. Schon jetzt ist deren Niederschlag an den euroländischen Finanzmärkten zu beobachten. Neben Staatsanleihen der Euro-Südzone sind auch Aktien aus Euroland Nutznießer dieser golfstromähnlichen Liquiditätsversorgung.
„Renaissance der Euro-Südzone“
Vor dem Hintergrund einer wenn auch schwerpunktmäßig nur künstlichen Befriedung der Krisenherde in der Eurozone finden insbesondere die Aktienmärkte der Euro-Peripherie aufgrund ihres Nachholbedarf gegenüber dem deutschen Aktienmarkt Beachtung. Der zunehmende Risikoappetit der Anleger zeigt sich in einer relativen Stärke der Aktienmärkte der Euro-Südzone (Spanien, Italien, Frankreich, Portugal, Griechenland) gegenüber dem deutschen Aktienmarkt.
An der strategisch positiven Gesamteinschätzung deutscher Aktien, die von der sich stabilisierenden Weltkonjunktur profitieren werden, ändert dies aber nichts.
Aktuelle Marktlage und Charttechnik
Der DAX besitzt weiterhin Steherqualitäten. Bis September, bis zur Bundestagswahl und dem tatsächlichen Einsetzen des Tapering in den USA, sind aber schwankungsanfällige Kursverläufe bei Aktien zu erwarten. Anschließend, wenn die diesbezüglichen Befürchtungen sich in der Realität nicht bewahrheiten, peilt der DAX sein Jahresendziel von 8800 Punkten an.
Aus charttechnischer Sicht sind für den DAX weitere Kursgewinne möglich, sollte die Widerstandszone zwischen 8415 und 8435 überwunden werden. Darüber liegen die nächsten Hürden am bisherigen Jahreshoch bei 8557 und an der Obergrenze des Aufwärtstrendkanals bei 8583 Punkten.
Sollte auf der Unterseite jedoch die Unterstützung bei 8213 Punkten unterschritten werden, warten die nächsten Haltelinien bei 8130 und 8085 Punkten. Darunter liegt der solide Auffangbereich bei rund 8000 Punkten.
Und was passiert in der nächsten Woche?
In den USA ist ein leicht abnehmender, aber immer noch solider Einkaufsmanagerindex der Notenbank von Chicago Signal einer weiteren US-Konjunkturerholung. Der Fokus der Anleger richtet sich auf das Protokoll der letzten US-Notenbanksitzung. Dabei sollte die Tapering-Debatte allmählich an Drohpotenzial verlieren.
In Euroland werden die Finanzanleger die Entwicklung der Stimmungsindikatoren nach ihrer merklichen Aufhellung im Vormonat genau beobachten. Es ist davon auszugehen, dass der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe der Eurozone zwar zunächst eine Verschnaufpause einlegt, aber dennoch weiterhin auf eine Euro-Konjunkturerholung hindeutet. Mit Spannung wird insbesondere der deutsche Subindex erwartet, der im letzten Monat wieder einen Wert von über 50 und damit Expansion anzeigte.
Wenn dem europäischen Stier künstliche Hörner wachsen
Schon in der griechischen Mythologie galt der Stier als Symbol für Europa. Spätestens seit Frühjahr 2010 jedoch, als die schlimmsten Krisentage über die Eurozone hereinbrachen, kam mir dieser einst so stolze Stier lange Zeit eher wie ein schüchterner Ochse vor, der sich am Nasenring durch die Manege der Weltfinanzmärkte führen lässt.
Aber dann, in den dunkelsten Stunden, nachdem die politische Euro-Krisenintervention kläglich versagt hatte und die Wetten auf den Zusammenbruch der Eurozone ihren Höhepunkt erreichten, trat, wie eine gute Fee, die EZB auf die Finanzmarktbühne. Wie früher Cäsar kam Draghi, sah Draghi und siegte Draghi. Sein Rettungsversprechen hat selbst den euro-renitentesten Spekulanten wie einen Dieb kuschen lassen, der sich plötzlich einem bissigen Wachhund gegenübersieht. Ja, der Stier kam wieder zu Kräften.
Konjunktur in Euroland: Relativ vielleicht hui, absolut aber noch pfui
Zwar machen selbst viele geldpolitische Tauben noch keinen konjunkturellen Sommer. Aber Eurolands Bürger reagieren natürlich auf die Nullkommanix-Zinsen, entsparen und konsumieren lieber. So kann man der EZB schon eine kleine Dankeskarte schicken, dass Euroland dem tiefen Tal der Rezession mit einem kleinen Wirtschaftswachstum im II. Quartal entstiegen ist.
Für wirtschaftswunderliche Fanfarenklänge besteht aber nicht der Hauch eines Anlasses. Ich wüsste allzu gern, welchen Anteil allein die gestiegenen Heizkosten im sibirischen Frühjahr 2013 am Wirtschaftswachstum hatten. Grundsätzlich profitierte Eurolands Wirtschaft von dynamischen Einmaleffekten, wie z.B. auf dem Bau, wo das aufgeholt wurde, was im kalten Frühling noch starr wie der winterliche See ruhte. Auch eine Bäckerei, überspitzt formuliert, die im Zuge einer einbrechenden Geschäftslage nur noch ein Brötchen am Tag verkauft, wird sich am plötzlichen Absatz von zwei Brötchen - was relativ einem phänomenalen Wachstum von 100 Prozent entspricht - absolut nur wenig erfreuen können.
Der wirtschaftliche Zweck heiligt selbst die instabilsten Mittel
Wirtschaftsprofessoren mit dicker Nickelbrille auf der Nase würden jetzt empfehlen alles zu unternehmen, um dieses kleine Pflänzchen der Konjunkturhoffnung durch massive Reformpolitik kräftig zu düngen, um wiederum die Lebensdauer des Aufschwungs vom Niveau Eintagesfliege in Richtung Schildkröte auszudehnen.
Nun, die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube. Ich behaupte, dass ein auch nur entfernt nach Agenda 2010-Politik aussehender Reformprozess in den angeschlagenen Euro-Ländern so wahrscheinlich ist, wie ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl. Warum auch sollte man dort finanzmarktberuhigende Reformen machen, wenn es die Beruhigungspillen von der EZB auf Krankenschein, also ohne Zuzahlung, gibt.
Ich behaupte weiter, dass nach der Bundestagswahl - dann braucht sich niemand mehr mit stabilitätspolitischen Feigenblättern zu bedecken - jede neue Regierung alle Augen und auch alle Hühneraugen zudrückt, wenn die Schuldenkriterien in der Euro-Südzone zum Wohle der nationalen Konjunkturen und der Arbeitsplätze vermutlich extrem lockerer interpretiert werden. Denn auch das politische Berlin musste sich längst eingestehen, dass man zwar deutsche Stabilitätskultur auf allen Euro-Kanälen gefunkt hat, die potenziellen Adressaten den Lautstärkeregler ihrer Empfangsgeräte jedoch immer sehr stark nach links gedreht haben. Klassische deutsche Stabilitätsmusik findet ähnlich wie beim Eurovision Song Contest von Italien, Spanien & Co. leider wenig Anklang: Germany, zero points. Sollte eine Bundeskanzlerin Merkel oder ein Bundeskanzler Steinbrück deswegen ab Herbst eine erneute, sozialpolitisch womöglich noch schlimmere Existenzkrise der Eurozone riskieren, die der deutschen Exportwirtschaft ihr Brot und Butter-Geschäft verhagelt? Das war eine rhetorische Frage.
Euroland - Hurra, wir leben noch
Mit Hilfe von stabilitätspolitisch unsauberen Dopingmitteln haben wir also das Schlimmste künstlich hinter uns gebracht. Die Botschaft ist klar: Alles wird gut. Selbst die Frühindikatoren in der Eurozone klingen mittlerweile wieder so heiter wie Spatzen bei der ersten Frühlingssonne. Und erst der deutsche Konsument oder die deutsche Konsumentin: Bei jeder noch so kleinen Krise wurde früher sofort das Portemonnaie zugenagelt. Jetzt geben wir wieder freudestrahlend Geld aus. Wenn das mal nicht der positivste Stimmungsindikator der Eurozone überhaupt ist.
Die Zinsmärkte haben sich längst mit dem Abbau des germanisch antiinstabilen Schutzwalls und einem Umbau der ehemaligen Europäischen Stabilitäts- zu einer Romanischen Schuldenunion abgefunden: Die Risikoaufschläge italienischer oder spanischer Anleihen zu deutschen haben sich seit ihrem Hochpunkt Mitte 2012 mehr als halbiert, Tendenz weiter fallend. Endlich hat Amerika uns dort, wo es uns haben wollte: In einem von der Geldpolitik finanzierten Schuldenparadies. Wir wurden erfolgreich assimiliert.
Wundert es da noch, dass sich auch die Aktienmärkte der allgemeinen guten Laune im Trend nicht entziehen können? Die Aktienmärkte in der Euro-Südzone liefen zuletzt sogar besser als der DAX oder die Märkte in den Schwellenländern.
Also schöne neue Welt? Nun, ich kann nicht sagen, wie lange das mit der Eurozone so noch gut geht. Aber einstweilen ist festzustellen: Totgesagte leben länger. Dem europäischen Stier wachsen wieder Hörner, wenn auch künstliche.
Volkswirtschaftliche Prognosen auf einen Blick
Kapitalmarkt auf einen Blick
Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG
Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:
http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/
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