Analyse
21:10 Uhr, 28.09.2015

Am Ende des Tunnels ist ein Licht!

Die Löhne sinken auf realer Basis seit geraumer Zeit, da Unternehmen Löhne weltweit arbitragieren, Standorte gegeneinander ausspielen, um ihre Gewinne zu vergrößern. Kehrt sich dieser Trend gerade in sein Gegenteil um?

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  • DAX
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Die amerikanische Notenbank befindet sich auf dem Weg der Normalisierung der Geldpolitik, der im vergangenen Jahr mit der Drosselung und der anschließenden Beendigung des QE-Aufkaufprogramms eingeleitet wurde und nun vielleicht in diesem, vielleicht im nächsten Jahr mit einer ersten Leitzinserhöhung fortgesetzt werden soll. Die Liquiditätsrally an den Börsen ist zu Ende. Nun müssen neue Treiber her, die traditionell in den Bilanzen der Unternehmen zu finden sind.

Einige Analysten sprechen allerdings ausgerechnet jetzt von einer Gewinnrezession: US-Unternehmen werden im dritten Quartal aller Voraussicht nach 3,9 % weniger Gewinn schreiben, im Vergleich zum entsprechenden dritten Quartal 2014, und das ist das zweite Quartal in Folge mit schrumpfenden Gewinnen, ergo der Begriff der Bilanzrezession. Ob das Öl auf die Wogen der aufgebrachten Börsen gießen wird, ist eher zweifelhaft. Gerade jetzt müsste die Konjunktur, müssten die Gewinne der Unternehmen ihre Geschwindigkeit erreicht haben, um selbstständig abheben zu können, sonst muss der Start abgebrochen werden oder endet mit einem Crash am Ende des Rollfelds. Danach sieht es immer mehr aus, denn auch die Gewinnerwartungen für die kommenden Quartale sinken. Auf Sicht der kommenden 12 Monate gehen Analysten im Konsens nun von minus 2 % bei den Gewinnen aus, das ist der tiefste Schätzwert seit der Finanzkrise im Jahr 2009.

Da klingt es schon ein wenig irrwitzig, was Shinzo Abe, der japanische Premierminister, am Wochenende zu sagen hatte. Japans Bruttoinlandsprodukt werde unter seiner Regentschaft auf 600 Billionen Yen wachsen, 20 % mehr als heute. Zu welchem Zeitpunkt dieses Ziel erreicht werden solle, gab er nicht bekannt. Woher der Wirtschaftsboom kommen soll, sagte er aber: Es soll mehr Kindergeld geben, die Geburtenrate von 1,43 im Jahr 2013 solle wieder auf 1,8 Kinder pro Frau steigen. Außerdem soll es mehr Bezüge für ältere Bürger geben, ebenso sollen die Sozialkassen mehr Bezüge ausschütten.

Über Japan muss man wissen dass die westlichen Kreditratingagenturen bereits den Daumen über Shinzo Abes Politik senkten, sie habe auch Jahre nach seiner Wahl nicht dazu geführt, dass es Japan besser ginge. Zwar seien die Aktien stark gestiegen, die Investitionen der Unternehmen sowie der private Konsum seien aber bestenfalls als blutarm und schwächlich zu bezeichnen. Der IWF bat der Regierung Abe sogar Beratungsdienste an, um nicht zu riskieren, dass das Ausland das Vertrauen verliert, weil die von der Regierung geschürten Erwartungen weiterhin nicht dem Ist-Zustand der Wirtschaft entsprechen würden. Und dann ist da noch der Abschwung in China, der sicherlich die Weltwirtschaft beeinflussen wird, zum negativen natürlich, aber das trifft vor allem auch Japan. Was Shinzo Abe ankündigte ist quasi das Vorhaben, noch mehr Schulden zu machen, um irgendwie dann doch noch das Wachstum zu erzeugen, das er den Wählern zu Amtsantritt versprochen hatte.

Die Demographie ist ein großes Thema an den Börsen. Harry Dent gehört zu den gefragten internationalen Finanzexperten, weil er die großen Trends und Bewegungen auf Makroebene in einfachen Worten zusammenfassen kann - und wohl auch, weil er selten bullische Worte finden kann. Der bekannte amerikanische Investor, der in der Lage war, die Boom- und Bust-Zyklen in den USA der vergangenen zwanzig Jahre als auch die zwei verlorenen Jahrzehnte in Japan aufgrund demographischer Trends exakt vorherzusagen, ist seit geraumer Zeit bärisch für Japan, und auch für die USA.

Er sagt, die Baby Boomer Generation sei gealtert, sie gehe gerade schrittweise in den Ruhestand, und das werde die Börsen schwer treffen. Er dürfte einen Artikel im Londoner Telegraph am Sonntag mit großer Aufmerksamkeit gelesen haben. Dort geht man nun auch davon aus, dass das demographische Optimum für die Weltwirtschaft überschritten sei. Jahrzehntelang wuchs durch die Globalisierung die weltweite Pool an arbeitswilligen Menschen, im Jahr 1990 standen dem Weltmarkt 685 Millionen Arbeiter zur Verfügung, dann brach die Sowjetunion zusammen, und dann öffneten sich China und Osteuropa und fügten dieser Zahl weitere 820 Millionen Menschen hinzu. Das hat 25 Jahre lang dazu geführt, dass die Löhne und Gehälter stagnierten. Weltkonzerne haben Lohn-Arbitrage betrieben, sie nutzten die billigen Arbeitskräfte aus, und spielten Regierungen und Standorte gegen einander aus. Heute betragen die Unternehmensgewinne 10 % des Bruttoinlandsprodukts, das ist doppelt so viel wie im historischen Durchschnitt und mindestens ein 80-Jahres-Hoch. Diese Ära scheint vorbei zu gehen. Der Yuan scheint überbewertet. Japan startete im Jahr 2012 den Währungskrieg in Asien. Panasonic produziert seine Mikrowellen wieder in Japan, und nicht mehr in China.

Und dann kommt da noch die Geburtenrate der Welt dazu, 4,85 Kinder pro Frau waren es im Jahr 1970, heute sind es 2,43. Unter 2,1 spricht man von einer schrumpfenden Bevölkerung. Von den großen Ländern ist nur noch Indien darüber mit 2,4 Kindern pro Frau, die USA sind bei 2, Großbritannien bei 1,9, Brasilien bei 1,8, Russland und Kanada bei 1,6, Spanien bei 1,5, Deutschland, Italien und Japan bei 1,4, Korea bei 1,25 und Singapur bei 0,8. Die Zahl der in Arbeit und Brot stehenden Bevölkerung relativ zu Pensionären hat im vergangenen Jahr vor diesem Hintergrund wahrscheinlich einen Höhepunkt erreicht. 2 Menschen standen im vergangenen Jahr für einen Pensionär weltweit in Arbeit, im Jahr 1970 waren es rechnerisch nur 1,3 Arbeiter pro Pensionär. Diese demographischen Trends bedeuten aber: Arbeit wird zukünftig wieder knapper, Unternehmen machen richtig viel Geld, aber dieser Trend endet.

China wird das besonders zu spüren bekommen, dort schrumpft die Arbeiterschaft bereits um 3 Millionen Menschen pro Jahr, der 1-Kind-Politik sei Dank. Das alles kann zu einer wieder steigenden Inflation führen. Die Rentner geben ihre Ersparnisse aus, China wird die Welt nicht mehr mit Ersparnissen überfluten. Heute liegt die weltweite Sparrate bei 25 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, ein Rekord. Wenn Arbeit knapp wird, müssten Unternehmen in Automatisierung investieren, um Lohnkosten zu vermeiden, wenn Unternehmen das nicht schnell genug schaffen kommt der Arbeiter und Angestellte wieder in die bessere Verhandlungsposition, steigende Löhne und Gehälter wären die Folge. Und daraus folgt wiederum, dass dann die Realzinsen und Leitzinsen bald wieder bei 4 oder 5 Prozent stehen werden, um die Inflation zu bekämpfen, und damit wäre die Normalität wieder hergestellt. Ist das – nicht für morgen aber bald - ein realistisches Szenario? Was denken Sie?

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6 Kommentare

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  • fehu001
    fehu001

    Montag, 28.09.2015 - 21:10 Uhr Am Ende des Tunnels ist ein Licht!

    es könnte aber auch der ICE sein,d er dir entgegen kommt.

    11:43 Uhr, 29.09. 2015
  • Investor
    Investor

    China verlagert gerade Tätigkeiten nach Vietnam und Kenia. Dort gibt es noch genügend billige Arbeit.

    Global sind über 4 Mrd Menschen unterhalb der Armutsschwelle und stehen für künftige Lohnarbitrage zur Verfügung.

    In den Industrienationen hätte die Überalterung zu steigenden Löhnen führen können. Durch die Zuwanderung in Europa (Flüchtlinge) und USA (Latinos) wird dieser Mechanismus gerade ausser Kraft gesetzt.

    Wenn Inflation ins System kommen soll, denke ich muß es bei der Überproduktion bei den Rohstoffen beginnen. Solange billiges Geld die Welt flutet, bleiben die Zombieminen am Leben. Alternativ könnte steigende Kaufkraft/Löhne in den Industrienationen helfen, dies wird aber durch die Zuwanderung zunichte gemacht.

    09:01 Uhr, 29.09. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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