Alles nur Zufall? Intradayhandel im Fokus!
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Erwähnte Instrumente
- DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 12.149,42 Pkt (XETRA)
Jeder kennt sie, die unglaublichen Geschichten von Tradern, die an der Börse Millionen verdient haben und natürlich möchte es jeder von uns diesen gleichtun. Bei diesem Versuch zeichnete sich in den letzten Jahren ein klarer Trend ab. Die Einstiegsbarrieren in das Trading sind so niedrig wie noch nie. Diverse CFD-Broker bieten ihren Kunden an, selbst mit Kontogrößen von wenigen hundert oder tausend Euro zu handeln und dank des technischen Fortschritts stehen nun auch privaten Tradern leistungsfähige Tradingplattformen wie Guidants, Metatrader & Co sowie hochkarätige Informationsplattformen wie Godmode und Guidants zur Verfügung. Das lockt täglich neue Trader ins Spiel der Spiele und mit dem Ziel, möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit zu verdienen, landen nicht wenige dieser früher oder später beim Intradaytrading.
Das Intradaytrading beschreibt nicht zwangsläufig einen extrem schnellen Tradingstil, in dem Positionen im Sekundentakt eingegangen und wieder geschlossen werden. Vielmehr versuchen Intradaytrader größere oder kleinere Schwankungen während eines Handelstages auszunutzen, wobei sie in der Regel nicht bereit sind, die Positionen über Nacht zu halten.
Schnell, kleine Stopps und kein Overnight-Risiko!
Der Reiz, sich im Intradaytrading zu engagieren ist groß. Hier bewegt sich ständig etwas, die Stopps können viel enger gesetzt werden, was nicht nur kleineren Tradingkonten entgegenkommt, sondern gleichzeitig auch größere Positionen erlaubt. Alles geht ein wenig schneller und für eine Intradaytrendbewegung, in der man Vielfache seines Einsatzes/Risikos verdienen kann, braucht man nicht Wochen oder Monate wie beim Trading auf Tagesbasis zu warten.
Natürlich ist die Schwankungsbreite im DAX nicht jeden Tag gleich hoch, aber dies ändert an der grundlegenden Aussage wenig: im kurzfristigen Trading scheint in kürzerer Zeit mehr zu holen zu sein. Der Markt gibt einfach mehr her. Über diesen Punkt möchte ich an dieser Stelle gar nicht streiten, aber die zentrale Frage ist: Kann der Trader dieses Potential auch nutzen?
Eine bittere Pille!
Meine persönliche Meinung: Nein, in der Regel kann der Trader dieses Potenzial nicht ausschöpfen. Ganz im Gegenteil. Angelockt vom schnellen Geld rinnt vielen Tradern genau dieses viel schneller aus den Händen. Diese Aussage entspringt nicht nur meinen Erfahrungen als Tradingcoach, sondern lässt sich auch „analytisch“ begründen. Dazu stelle ich an dieser Stelle eine gewagte These auf: Der Intradaymarkt ist in wesentlichen Teilen zufällig. Hinzu kommen psychologische Aspekte, die im Intradaytrading im Besonderen zum Tragen kommen.
Eine These sollte natürlich auch begründet werden und so machen wir uns auf die Suche nach Antworten auf die Frage, ob der Intradaymarkt wirklich zufälliger daherkommt? Hier lässt sich bereits vortrefflich darüber streiten, was „Zufall“ überhaupt ist und wie sich dies in den Kursbewegungen äußert. In diese Diskussion möchte ich gar nicht erst einsteigen, sondern nehme mir eine einfache und plausible Definition: Ein Markt ist umso zufälliger, umso öfter der Kurs seine Richtung wechselt oder anders formuliert: In zufälligen Märkten herrscht eine deutlich geringere Trägheit als in weniger zufälligen Märkten. Die Trägheit eines Marktes wollen wir an dieser Stelle einfach als Trendlastigkeit definieren. Einmal angeschubst sollte der DAX auch eine ordentliche Strecke nach oben laufen können bzw. einmal ins Trudeln gekommen, sollte eine Verkaufswelle auch über eine gewisse Zeit und Strecke hin anhalten. Je größer die Gewinne aus Trendstrategien sind, desto weniger zufällig und desto träger ist der Markt. Ein ständiges Hin und Her ohne anhaltende Bewegungen in eine Richtung hingegen gleicht einer zufälligen Kurve.
Der Vergleich
Mit dieser Definition im Gepäck können wir unterschiedliche Timeframes näher untersuchen und vergleichen. Dazu habe ich ein einfaches Trendfolgesystem auf Basis des ROC (Rate of Change) programmiert. Dieses schließt bestehende Shortpositionen und geht gleichzeitig Long, wenn der ROC(200) die Nulllinie von unten nach oben durchbricht (der heutige Schlusskurs liegt über dem vor 200 Kerzen). Fällt der ROC aus dem positiven Bereich wieder unter die Nulllinie zurück, werden Longpositionen geschlossen und Shortpositionen eröffnet. Abbildung 2 zeigt den DAX-Tageschart inklusive des ROC(200) und einigen Signalen.
Zunächst wenden wir dieses System im Tageschart des DAX an. Die dazugehörige Performancekurve ist in Abbildung 3 dargestellt und die Kennzahlen der Strategie können dem Performancereport in Abbildung 4 entnommen werden.
Wie diesem zu entnehmen ist, arbeitet bereits ein solch einfaches System vor Kosten profitabel. Beeindruckend ist vor allem das CRV. Der Profitfaktor bescheinigt der Strategie ein sehr gutes Verhältnis von Gewinnen und Verlusten. Für jeden verlorenen Euro bekommen wir 3,35 Euro zurück. In die gleiche Kerbe haut das Verhältnis von Durchschnittsverlusten zu Durchschnittsgewinnen. Erstere betragen 92,95 Punkte, denen 638,42 Punkte Gewinn gegenüberstehen. Wie in einem Trendansatz grundlegend zu erwarten, ist die Trefferquote mit 32,84 % nicht gerade überragend, aber im für diesen Ansatz grünen Bereich.
Kann der Intradayhandel dies toppen?
Damit haben wir eine Vergleichsbasis und können uns nun dem Intradaybereich zuwenden. Im ersten Schritt schalten wir einfach auf den Stundenchart um. Die Ergebnisse sind in Abb. 5 dargestellt.
Das gesamte System rutscht ins Minus und nahezu jede für uns relevante Kennzahl fällt schlechter aus. Die Trefferquote sinkt noch einmal deutlich und die Durchschnittsgewinne sind mit 76,90 Punkten nur noch etwas mehr als doppelt so groß wie die Durchschnittsverluste. Das reicht nicht aus, um die schwache Trefferquote auszugleichen. Das gleiche Bild zeigt sich, wenn wir auf den Minutenchart runterschalten (Abb. 6).
Auch hier zeigen sich eklatant schlechterer Ergebnisse als im Tageschart und das vor Kosten. Würden wir diese mit einbeziehen – und das müssen wir als Trader eigentlich immer – dann versinkt unser Ansatz im Chaos. Bei 2.283 Trader im 1-Minutenchart und unterstellten realitätsnahen Kosten von 2 Punkten pro Trade, krachen die Performance und mit ihr alle anderen Kennzahlen ins Bodenlose (siehe Abb. 7).
Wer meint, dass der Vergleich hinkt, weil wir im Tageschart aus Abb. 3 ja auch keine Kosten berücksichtigt haben, der möge sich abschließend noch Abb. 8 anschauen. Hier wurden ebenfalls zwei Punkte Kosten berücksichtigt, die nahezu überhaupt nicht ins Gewicht fallen.
Ziehen wir ein erstes Zwischenfazit
Ausgehend von unserem einfachen Trendsystem kommen wir zum unweigerlichen Schluss, dass der Intradaybereich wesentlich weniger trendlastig ist, als die größeren Zeitebenen. Natürlich gibt es auch im Intradaybereich gute und schöne Trends, aber die Zeit in denen die Kurse mehr oder minder stark schwanken, ohne dass einer ersten Impulsbewegung weitere Bewegungen in die gleiche Richtung folgen, ist im Vergleich zu den Trends dominierend.
Können wir an dieser Stelle bereits das Fazit ausdehnen und die Kurse intraday als zufälliger bezeichnen? Im Grunde schon, aber ich möchte noch ein weiteres Argument der „Ungläubigen“ aufgreifen: Mit dem ROC habe ich einen einfachen Trendfilter genutzt und das in einer willkürlichen Einstellung von 200 Kerzen. Unsere Analyse bisher hat gezeigt, dass es solch „lange“ Trends zwar im Tageschart, aber nicht im Intradaybereich gibt. Vielleicht laufen diese Trends einfach nur schneller oder gar langsamer ab und die Einstellung von 200 Kerzen ist zu lang oder kurz gewesen. Eine andere Einstellung passt im Intradaybereich vielleicht eher und wir kommen mit dieser auf ähnliche Ergebnisse wie im Tageschart?
Sie sitzen hoffentlich!
Exemplarisch bleiben wir beim 1 Minutenchart und lassen auch die Kosten nicht mehr unberücksichtigt. Dank unseres einfachen Ansatzes (der wohlgemerkt trotzdem auf Tagesbasis eine schicke Performance hinlegte) können wir uns verschiedene Einstellungen des ROCs anschauen. Da wir gründlich sein wollen, lassen wir einfach einmal alle ROC-Einstellungen von 1 – 500 durchlaufen und schauen uns die Ergebnisse an – vielleicht sollten Sie sich vorher hinsetzen!
Es gibt nicht eine einzige Einstellung des ROCs, die nach Kosten von 2 Punkten einen Profit übrig lässt (siehe Abb. 9, die die Performance aller ROC-Einstellungen grafisch anzeigt).
Im glücklichsten Fall wählen wir eine Einstellung von 441 Kerzen und erzielen dabei einen Verlust von 1.407 Punkten nach Kosten – besser wird es nicht. Die Trefferquote liegt hier übrigens bei nur ca. 18 % und die Erkenntnis, dass die Performance sich mit größer werdenden Einstellungen des ROCs verbessert, hilft uns auch nicht weiter, denn sie bleibt komplett im negativen Bereich.
Was für eine Katastrophe und lassen Sie uns den Test auf die Spitze treiben und unterstellen, dass wir immer Freetradeaktionen seitens der Broker nutzen können und selbst ein Spread von 1 Punkt im DAX nicht mehr existiert. Es fallen also keine überhaupt keine Kosten an und trotzdem fällt das Ergebnis ernüchternd aus, wie Abb. 10 zeigt.
Wenigstens gibt es unter diesen Bedingungen Einstellungen, die es in den Gewinn schaffen, aber von der Performance, der Stabilität und dem guten CRV auf der Tagesebene (siehe Abb. 3 und 4) trennen uns immer noch Welten.
Fazit
In diesem Artikel gingen wir der These nach, dass der Intradaymarkt zufälliger und weniger träge ist, als die höheren Zeitebenen. Diese Aussage konnte mit einigen grundlegenden Überlegungen und Tests bestätigt werden. Es gelang uns einfach nicht, auf Basis eines simplen Trendansatzes einen Gewinn zu erzielen – egal ob wir kurzfristige oder längere Trends suchten. Natürlich treten Trends auch Intraday auf, aber die Masse der Zeit und Signale verbringt der DAX ohne Trendbewegungen. Das Intradaytrading scheint viel stärker unvorhergesehenen Schwankungen zu unterliegen und Methoden, die in den größeren Zeitebenen funktionieren, treffen im Intradaytrading an ihre Grenzen. Der Markt tickt dort einfach anders/zufälliger, wie wir sehen konnten.
Genau hierin mag auch die Kritik bezüglich unserer Analyse liegen. Wir haben mitnichten sämtliche Aspekte unter die Lupe genommen, um mit Sicherheit beweisen zu können, dass der Intradaymarkt wesentlich zufälliger ist. Vielleicht war der DAX auch nur ein ungünstiges Beispiel und/oder andere Ansätze bescheinigen auch dem DAX Intraday eine ähnliche Trägheit/Stabilität wie auf Tagesebene. Um auch diese Zweifel auszuräumen, bedarf es weiterer Analysen. Selbst dann wird wahrscheinlich immer ein gewisser Restzweifel bestehen. Als Intradaytrader werden Sie in wesentlich kürzerer Zeit und damit wesentlich intensiver mit schwierigen Tradingphasen konfrontiert, als beim gemütlichen Investieren. Dies erhöht die eigene Fehlerquote und drückt so weiter auf die Performance. Ich weiß, viele private Trader können sich aufgrund ihres zu kleinen Tradingkontos einen Handel in den großen Timeframes wie dem Tageschart & Co nicht leisten bzw. sind einfach zu ungeduldig, so dass das Intradaytrading als sinnvolle Alternative erscheint, aber sollten Sie diesen Schritt gehen, bereiten Sie sich gut vor. Hierbei wünsche ich Ihnen viel Erfolg
Ihr Rene Berteit
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Bei 18% Trefferquote kann man einfach mal short durch long ersetzen ;-)
Diese Untersuchung zeigt auch sehr schön, wieso es kein mathematisches Tradingsystem geben kann, welches den zufälligen Kursbewegungen gewachsen ist.
Deshalb ist Trading ja auch ein Handwerk, welches man lernen muss und diejenigen Faktoren kontrolliert, welche man kontrollieren kann. Z.B. die Grösse der Verluste.
Nichts mit Trading zu tun, aber eventuell auch einmal mathematisch interessant:
Wie wäre es einmal mit einem Test, welcher täglich um 9.00 Uhr gleichzeitig eine Long und eine Short Position eröffnet mit einem Anfangs-Stopp und Trailing-Stopp von 25 Punkten?
Die ersten 25 Punkte in beide Richtungen wären gehedgt. Fliegt ein Stopp raus, aktiviert sich der Trailing-Stopp der Gegenposition.