Warum er uns so fehlen wird. Gerade jetzt...
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Man kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus: Die Europäische Zentralbank (EZB) denkt tatsächlich laut darüber nach, negative Einlagezinsen einzuführen:
Beim Börsensender n-tv war deshalb in dieser Woche ein Kollege zu sehen, der den Zuschauern mit wichtiger Mine erklärt hat, warum dieser Schritt sehr zu begrüßen sei: Endlich würden die Banken „gezwungen“ den Unternehmen mehr Kredite zu geben und Staatsanleihen der europäischen Krisenländer zu kaufen - anstatt das Geld bei der Notenbank zu parken.
Es ist das gleiche sinnlose Geschwätz, mit dem seit Jahren versucht wird, die Probleme klein zu reden. Ein kurzer Blick in das Krisendrehbuch zeigt das:
Wir schreiben das Jahr sechs seit Ausbruch der Finanzkrise. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnt vor einer weiter anhaltenden Wachstumsschwäche der Weltwirtschaft - trotz der seit Jahren rekordtiefen Zinsen wohlgemerkt.
Doch die so genannten Experten tun so, als werde ein Negativzinssatz von minus 0,1 Prozent (nach bislang 0,0 Prozent), wie er jetzt von der EZB ins Spiel gebracht wird, im Handumdrehen alle Probleme lösen.
Es ist geradezu unglaublich, wie sich viele Kommentatoren die Dinge so hinbiegen, dass sie irgendwie passen – nur um später möglichst unauffällig wieder zurück zu rudern.
Nehmen wir etwa das viel zitierte „Tapering“. Noch im Sommer waren laut Medienberichten 70 Prozent (!) der gerade erwähnten „Experten“ der Meinung, dass die US-Notenbank ihre Anleihekäufe innerhalb weniger Monate deutlich zurück fahren werde. Angeblich stehe die US-Wirtschaft wegen der niedrigen Energiepreise vor einem nie gesehenen Wirtschaftsaufschwung.
Mittlerweile stellt sich heraus, dass die Fed das genaue Gegenteil wird tun müssen: In dieser Woche hat Ben Bernanke einigermaßen kleinlaut eingeräumt, dass an ein Ende der ultralockeren Geldpolitik überhaupt nicht zu denken ist. Man hätte das vorher wissen können.
Doch die gleichen Experten, die sich mit ihrer Einschätzung zum Tapering so grandios geirrt haben, sind sich jetzt nicht zu schade, negative Zinsen zu bejubeln, anstatt den Menschen endlich reinen Wein einzuschenken.
Man könnte die Leute beispielsweise davor warnen, ihr sauer erspartes Geld noch länger im Bankensektor zu parken. Dass solche Vorsichtsmaßnahmen keineswegs übertrieben, sondern geradezu dringend geboten sind, das macht der jüngst vorgelegte Vorschlag des Internationalen Währungsfonds (IWF) deutlich. Dort heißt es, dass eine Zwangsabgabe oder „Schuldensteuer“ in Höhe von zehn Prozent auf das Nettovermögen notwendig sei, um die Staatsschulden etwa in Europa wieder auf den Stand von 2007 zurückzuführen.
Drahtseilakt? IWF-Chefin Christine Lagarde hat kürzlich eine Vermögensabgabe in Höhe von zehn Prozent ins Spiel gebracht...
Eines sollten wir alle abseits des Geschwurbels der gut bezahlten „Experten“ allmählich gelernt haben: Je heftiger solche Vorschläge dementiert werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie später umgesetzt werden.
Es dürfte sich daher lohnen, über den Vorschlag des IWF und seine potentiellen Folgen einmal etwas genauer nachzudenken. Eine Vermögensabgabe macht ja nur dann Sinn, wenn sie erstens ganz plötzlich kommt und wenn sie möglichst umfangreich erhoben wird. Wenn sie also nicht nur Sparvermögen, sondern auch Aktiendepots und insbesondere Immobilienbestände erfasst.
Immobilienbestände? War das nicht der Sektor, in den gerade alle flüchten, weil sie glauben, dass ihr Geld dort sicher aufgehoben ist? Genau. So sicher wie das Amen in der Kirche ist deshalb auch, dass sich unsere sauberen Politiker, wenn es zu einer Vermögensabgabe im Sinne des IWF kommt, genau dort bedienen werden.
Das hat verschiedene Gründe: Erstens ist bei Immobilien am meisten zu holen. Das Betongold der Mittelschicht dürfte mit weitem Abstand den größten Posten in der Vermögensbilanz der Europäer bilden. Sehr praktisch ist außerdem, dass sich dort niemand einfach verstecken und der Schuldensteuer entziehen kann. Schließlich ist der Staat genauestens darüber informiert, wer welche Immobilien besitzt und welchen Wert diese Häuser und Wohnungen haben.
Nun muss man nur noch eins und eins zusammenzählen: Wer plötzlich eine Schuldensteuer auf seine Immobilie in Höhe von zehn Prozent des Verkehrswertes aufgedrückt bekommt, der wird diese Summe in den seltensten Fällen aus der Portokasse bezahlen können. Mancher wird sein Eigenheim unversehens verkaufen müssen - und schon kommen die Preise ins Rutschen. Auch in Deutschland, wo ein Nachbar erst kürzlich bemerkte, im südlichen Oberbayern könnten die Immobilienpreise doch gar nicht fallen. Er wird sich noch wundern...
Bis die Leute das bemerken, wird allerdings noch eine ganze Zeit vergehen. Erst einmal muss die Party an den Börsen ausgiebig gefeiert werden. Eine Vermögenssteuer auf Aktiendepots etwa kann ja auch erst dann so richtig einschlagen, wenn man die Leute damit ordentlich rasieren kann, eben weil die Aktien in luftiger Höhe herumturnen.
Es könnte daher sein, dass in den kommenden Jahren genau jener Sektor am attraktivsten sein wird, der derzeit völlig am Boden liegt, um nicht zu sagen total verhasst ist: Die Edelmetalle. Denn nur dort lassen sich sauer zusammengetragene Ersparnisse vor all den Halsabschneidern und Politgangstern in Sicherheit bringen.
Es wäre dann also wie immer im Leben und an der Börse: Am interessantesten ist es immer dort, wo niemand hinsieht...
Schade, dass wir Dieter Hildebrandt nicht mehr fragen können, was er von all dem hält. Vielleicht würde er sagen: „Liebe Experten, Eure Prognosen werden Euch noch auf die Füße fallen“.
"Ihnen ist sicher klar, dass wir eines Tages heiraten werden."
(Dieter Hildebrandt im Jahr 1951, wenige Stunden nach der ersten Begegnung mit seiner späteren Frau Irene)
Ein herzlicher Dank an den erfolgreichsten Kabarettisten Deutschlands, an das moralische Gewissen einer Nation, das uns gerade in diesen Tagen so besonders fehlen wird:
Dieter Hildebrandt hat uns heitere Stunden geschenkt. Vor allem aber hat er viele von uns dazu gebracht, über die Dinge nachzudenken. In Zeiten kollektiver Ignoranz, medialer Massenverdummung und allgemeiner Sorglosigkeit, vor dem Hintergrund des größten Irrsinns der modernen Menschheitsgeschichte, sind seine Mahnungen Auftrag für jeden von uns.
Und wer verstanden hat, was gespielt wird, der sollte nicht schweigen, sondern die Dinge beim Namen nennen...
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Zum Autor:
Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG, und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs. Börsenbrief und Aktienclub, das komplette Servicepaket für die Freunde antizyklischer Anlagestrategien! Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de und www.antizyklischer-aktienclub.de
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