Kommentar
11:36 Uhr, 14.03.2013

Überraschungen von der US-Konjunktur

  • Die Stimmung in Amerika ist trotz aller poli­ti­schen, vor allem fiskalpolitischen Belastun­gen, erstaunlich optimistisch.
  • Der Aufschwung der privaten Nachfrage ist gut begründet.
  • Die gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate bleibt vergleichsweise niedrig. Sie ist aber wenig indikativ für die Dynamik der Wirt­schaft.

Ich war in der letzten Woche in den USA. Was ich dort sah, hat mein bisheriges Amerikabild etwas ins Wanken gebracht. Bisher war ich davon ausgegangen, dass sich die Vereinigten Staaten in erheblichen Schwierigkeiten befinden. Das US-Wachstum ist niedrig (im vierten Quartal real gerade mal 0,1 %). Die Arbeitslosigkeit ist hoch (zuletzt 7,7 %, allerdings etwas niedriger als in
den Vormonaten). Die Notenbank verharrt wegen der Ar­beitslosigkeit auf einem ultralockeren Kurs. Es gibt Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen, weil sich Präsident und Kongress nicht einigen können.

Was ich dann aber im Land sah, stellte sich ganz anders dar. Die Stimmung der Menschen, der Unterneh­men und der Finanzmärkte hat sich seit meinem Besuch vor ein paar Monaten spürbar verbessert. Der ISM-Ge­schäftsklimaindex gibt das gut wider. Er ist seit Novem­ber kontinuierlich um gut vier Prozentpunkte gestiegen (siehe Grafik). Er befindet sich allerdings noch nicht auf sicherem Terrain. Die Fiskalklippe und die anschließen­de Erhöhung der "Payroll Tax" sind kein Thema. Die Ein­zelhandelsumsätze haben im Januar und Februar trotz­dem zugenommen (0,2 % bzw. 1,1 %). Die automati­schen Ausgabenkürzungen (Sequester) um immerhin USD 80 Mrd., die zu einer Verringerung der öffentlichen Dienstleistungen zum Beispiel an den Flughäfen führen soll, wird in den Zeitungen nur unter ferner liefen er­wähnt. Das Gleiche gilt für die bevorstehenden weiteren Ausgabeneinsparungen im Zuge der Verhandlungen über den Haushalt und die Schuldenobergrenze.

Es gibt eine klare Dichotomie zwischen einer gut laufen­den Privatwirtschaft und einer restriktiven öffentlichen Wirtschaft. Das ist ganz anders als in Europa. In den USA läuft die Konjunktur. Der Staat nutzt das, um die Verschuldung zu verringern. Das ist an sich die Ideal­konstellation. Die optisch niedrige Wachstumsrate ist allein das Resultat der niedrigeren Staatsausgaben. In Europa läuft die Kette genau anders herum. Die Ver­schuldung wird zurückgeführt (allerdings erheblich mehr als in den USA). Das dämpft das Wachstum.

Nun sollte man mit persönlichen Eindrücken vorsichtig sein. Sie können leicht täuschen. Es gibt aber auch handfeste Gründe für einen Aufschwung der Privatwirt­schaft. Erstens ist die Häuserkrise überwunden, die die Finanzkrise ausgelöst hatte. Die Häuserpreise gehen nicht mehr zurück, sondern steigen an (zuletzt plus 6 % gegen Vorjahr). Hier wirken sich der demographisch be­dingte Bevölkerungszuwachs sowie der Einbruch der Bautätigkeit unmittelbar nach der Krise aus, der jetzt aufgeholt werden muss. Die Banken sind wieder bereit, Hypothekendarlehen zu geben.

Zweitens hat sich die Produktivität der amerikanischen Industrie deutlich erhöht. Die Unternehmen haben mas­sive Restrukturierungen durchgeführt. Sie sind wieder innovativer und wettbewerbsfähiger. Siehe General Mo­tors, das noch vor ein paar Jahren vom Staat gerettet werden musste und jetzt wieder vor Kraft strotzt. Selbst auf den Weltmärkten spielen amerikanische Firmen wie­der eine Rolle, obwohl sich der Dollar befestigt hat. Die Produktivitätssteigerung ist letztlich das Spiegelbild des Anstiegs der Arbeitslosigkeit nach der Krise. Die Banken stehen wegen der Rekapitalisierung wieder besser da und können stärker Kredit geben.

Drittens hat sich die Verschuldung der privaten Haushal­te verringert. Sie ist in einem schmerzhaften Anpas­sungsprozess von 130 % auf 110 % des verfügbaren Einkommens zurückgegangen. Zusammen mit den nied­rigeren Zinsen (und den höheren Aktienkursen) hat sich dadurch die Einkommens- und Vermögenssituation der Verbraucher verbessert. Das erklärt den Schub beim pri­vaten Verbrauch trotz der Steuererhöhungen. Freilich bedeutet das auch, dass die Verschuldung der Haushal­te nicht nur nicht mehr zurückgeht, sondern wieder an­steigt. Das ist kein gutes Zeichen, denn die Verschul­dung der US-Konsumenten ist noch lange nicht zu nied­rig.

Insgesamt sehe ich die weitere Entwicklung der US-Wirt­schaft inzwischen positiver als bisher. Die gesamtwirt­schaftliche Wachstumsrate wird in diesem Jahr wegen der fiskalpolitischen Sparmaßnahmen zwar noch relativ gering sein (rund 2 %). Die private Nachfrage ist jedoch lebhaft. Sie wird in Zukunft durch die niedrigeren Öl- und Gaspreise im Zusammenhang mit dem Fracking noch weiter steigen. Die Dichotomie zwischen privater Nach­frage und staatlichen Sparmaßnamen wird jedoch blei­ben, weil die staatliche Verschuldung immer noch zu hoch ist (wesentlich höher als in Europa) und reduziert werden muss.

Unmittelbar nach der Finanzkrise 2008 hatten die beiden amerikanischen Ökonomen Kenneth Rogoff und Car­men Reinhart nach einer Untersuchung ähnlicher Situa­tionen in der Vergangenheit vorhergesagt, dass die Er­holung länger als in normalen Zyklen auf sich warten lassen würde. Sie gingen davon aus, dass das Wachs­tum wegen der strukturellen Verwerfungen mindestens vier Jahre gering sein könnte. Jetzt sind die vier Jahre vorbei.

Für den Anleger

Die USA sind dabei, die Welt wieder einmal positiv zu überraschen. Das wird die Aktien noch weiter nach oben treiben, (selbst wenn es immer mal wieder Rückschläge gibt). Ein Ende der ultralockeren Geldpolitik muss noch nicht so schnell befürchtet werden. Der US-Dollar könn­te sich unter diesen Umständen auch dann aufwerten, wenn sich die Eurokrise weiter bessert. Der Anleger in den USA würde dann auch noch vom Wechselkurs profitieren.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

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