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10:45 Uhr, 17.10.2024

Scholz moniert Nachholbedarf bei Europas Wachstumsperspektiven

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Europa einen Nachholbedarf bei seinen Perspektiven für Wachstum und Produktivität attestiert und Vorschläge der EU-Kommission dazu gefordert. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas spiele eine zentrale Rolle beim EU-Gipfel, sagte Scholz bei seinem Eintreffen zu den Beratungen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. "Aus meiner Sicht geht es darum, dass wir das in den Mittelpunkt der Tätigkeit der künftigen Kommission stellen", hob der Kanzler hervor.

"Es ist offensichtlich, dass Europa Nachholbedarf hat, was Wachstumsperspektiven, Produktivität, technologische Fortschrittlichkeit betrifft." Deshalb müsse die EU einen Beitrag leisten, insbesondere, wenn es um industrielle Perspektiven, Wachstum und Sicherheit von Arbeitsplätzen gehe.

Scholz äußerte sich erneut kritisch zu Zollstreitigkeiten wie den von ihm abgelehnten Strafzöllen auf chinesische Elektroautos. "Ich mache keinen Hehl daraus, ich halte nicht sehr viel von Zollkonflikten", sagte er. "Das führt nicht weiter." Man kenne die Welthandelsorganisation WTO als Konfliktaustragungsmechanismus, und es wäre viel wichtiger, dafür zu sorgen, dass diese wieder funktioniere, indem zum Beispiel China auf seine Sonderrechte als Entwicklungsland verzichte, aber andere auch möglich machten, dass die Schiedsgerichtsverfahren der WTO wieder funktionierten. "Und deshalb muss es auch mehr Handelsabkommen geben, damit Europa seine Rolle wahrnehmen kann", forderte Scholz. Es gehe um Industriearbeitsplätze und um Produktivität in Europa und Deutschland.

Weitere Themen bei dem zweitägigen Gipfel sollen laut Scholz die Lage in der Ukraine und im Nahostkonflikt sowie Fragen von Asyl und Migration sein. Zu dem Treffen wird auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet. "Wir werden heute zusammenkommen mit dem ukrainischen Präsidenten und noch einmal sehr intensiv sprechen über die Unterstützung Europas für die Ukraine", sagte Scholz.

Es seien Beschlüsse vorbereitet, die es möglich machten, dass Europa seinen Teil für den Kredit über 50 Milliarden US-Dollar der G7-Staaten leisten werde. Das sei "ein klares Zeichen an den russischen Präsidenten, dass er nicht darauf spekulieren soll, dass die Unterstützung der Freunde der Ukraine nachlassen wird".

Zum Krieg in Nahost betonte Scholz, Israel habe jedes Recht, sich gegen die Hamas zu verteidigen und sie auch militärisch zu bekämpfen. "Gleichzeitig sind dabei alle Kriterien zu achten, etwa das Völkerrecht", hob der Kanzler hervor. In der Perspektive müsse es eine Zwei-Staaten-Lösung geben.

Zur Asylpolitik forderte Scholz, "dass diese Verständigung über das gemeinsame europäische Asylsystem jetzt nicht nur allmählich umgesetzt wird, sondern forciert". Die Bundesregierung werde die dazu notwendigen Gesetze sehr schnell dem Bundestag zuleiten, aber es wäre gut, wenn dies überall in Europa schnell erfolgen könnte.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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