Kommentar
10:22 Uhr, 13.12.2012

Paradigmenwechsel im Jahr 2013

  • Prognose für die Entwicklung von Wirtschaft und Kapitalmärkten im Jahr 2013.
  • Es gibt einen Paradigmenwechsel. Das zentrale Thema wird nicht mehr die Eurokrise sein, sondern die Bewältigung der schwachen Konjunktur.
  • 2013 kann noch einmal ein gutes Investmentjahr werden. Anleger brauchen aber gute Nerven.

Vor Kurzem schrieb mir ein Freund und Kollege aus der Auto-Zulieferindustrie in einem Weihnachtsgruß: "Die Eurokrise ist vorbei. Jetzt müssen wir die Konjunkturdel­le in Deutschland und das Konjunkturtal in Europa be­wältigen. Verdammt harte Arbeit." Ich war über diese knappe und etwas harsche Formulierung zunächst über­rascht. Je länger ich aber darüber nachdenke, umso mehr habe ich aber den Eindruck, dass sie den Paradigmenwechsel, vor dem wir am Jahresende stehen, genau auf den Punkt bringt.

2012 war das Jahr der Eurokrise. Unter großen Schmer­zen wurden die Reform- und Konsolidierungsmaßnah­men in den einzelnen Schuldnerländern eingeleitet und es wurden institutionelle Rettungsschirme installiert. Das hat gewirkt. Die Krise ist zwar noch nicht zu Ende. Sie wird uns auch noch manche Kopfschmerzen bereiten. Das Hauptthema des kommenden Jahres ist jedoch ein anderes: Es ist die schwache Konjunktur.

Nachdem ich in den vergangenen Wochenkommentaren immer wieder auf Einzelaspekte der wirtschaftlichen Ent­wicklung eingegangen bin, möchte ich heute einen Blick auf das Ganze lenken. Hier ein paar Highlights des Jah­res 2013, wie ich es sehe.

Wachstum: Anders als von vielen erwartet, wird sich die Wirtschaft im kommenden Jahr nicht erholen, sondern sich weiter abschwächen. Das gilt global und regional. Die Weltwirtschaft wird im kommenden Jahr dank des Fiscal Cliff in den USA, des niedrigeren Wachstums in China und natürlich auch wegen der Probleme in Europa nur noch um 2,5 % wachsen (2012: 3,3 %). In Euroland wird es aufgrund der anhaltenden Sparanstrengungen noch einmal eine Rezession geben (2012: -0,4 %). Für Deutschland rechne ich mit Stagnation (2012: 0,7 %). Das ist der Preis der Krise. Der Abschwung wird nicht so stark sein wie 2009. Er ähnelt eher dem der Jahre 2000 bis 2002 oder 1991 bis 1993 (siehe Grafik). Ob es da­nach 2014 gleich wieder nach oben geht (womit al­le rechnen), ist unsicher. Nach meiner Ansicht wird dann aber die Rezession in den gebeutelten Peripheriestaa­ten Europas zu Ende sein.

Arbeitslosigkeit: Die Arbeitslosigkeit wird wieder an­steigen. Trotz der erreichten strukturellen Verbesse­rungen am Arbeitsmarkt und trotz der demographisch abnehmenden Zahl der Erwerbstätigen wird sie in Deutschland wieder auf über 3 Millionen gehen. Das
hat auch Aus­wir­kungen auf die Lohnentwicklung. Ich rechne damit, dass die Lohnerhöhungen niedriger als 2012 ausfallen wer­den.

Preise: Die Inflationsrate, die sich in Euroland in den letzten Jahren hartnäckig über 2 % gehalten hat, wird unter 2 % fallen. Dazu trägt einmal ein Rückgang der Rohstoffpreise aufgrund der schlechteren Weltkonjunk­tur bei. Zum anderen spielt eine Rolle, dass die Unter­neh­men bei schwächerer Konjunktur Kostensteigerun­gen nicht mehr so gut auf die Abnehmer überwälzen können. Für Sparer, die unter den niedrigen Zinsen lei­den, ist das eine gute Nachricht.

Geldpolitik: Die Europäische Zentralbank wird den Leit­zins als Reaktion auf die schlechtere Konjunktur und die niedrigeren Preissteigerungen (nicht wegen der Eurokri­se) um ein Viertelprozentpunkt senken. Er liegt damit im­mer noch höher als in den USA, in Japan oder in der Schweiz. Der Zins für die Einlagenfazilität wird vermut­lich nicht angepasst, weil er sonst negativ würde.

Kapitalmarktzinsen: Die Renditen für 10-jährige Bun­desanleihen sind mit 1,3 % schon sehr niedrig. Ich kann mir vorstellen, dass sie in dem ungünstigen gesamtwirt­schaftlichen Umfeld, vielleicht auch als Reaktion auf ei­ne weitere Zinssenkung durch die EZB, noch etwas wei­ter zurückgehen. Die vergleichbaren Renditen in der Schweiz liegen heute bei 0,3 %. So niedrige Zinsen erschienen noch vor ein, zwei Jahren für Deutschland gänzlich unvorstellbar. Wenn sich jedoch die Geldent­wertung zurückbildet (in der Schweiz sinken die Preise absolut), dann sieht das Ganze anders aus.

Wechselkurs: Der Euro hat Potenzial nach oben. Was für ihn spricht, ist erstens die Erfahrung, dass er trotz aller Unkenrufe nicht zerbrochen ist. Hedge-Fonds wer­den es sich drei Mal überlegen, bevor sie noch einmal gegen den Euro spekulieren. Zweitens wird Euroland 2013 einen Überschuss in der Leistungsbilanz aufwei­sen, die USA ein Defizit. Drittens sind die Zinsen höher als in den USA. Konjunkturell stecken sowohl die USA als auch Europa in einem Tief.

Aktien: Natürlich wird es an den Märkten zunächst schwierig, weil die Kurse so lange gestiegen sind und weil sich der DAX der magischen Grenze von 8.000 nä­hert. Auch schlechte Konjunkturnachrichten drücken auf die Kurse. Der DAX kann also noch einmal auf unter 6.000 fallen. Andererseits gibt es die Erleichterung, dass das Schlimmste in der Eurokrise überwunden ist. Euro­pa steht im weltweiten Vergleich durch seine Strukturre­formen besser da als andere Regionen. Zudem gibt es viel Liquidität. Anleger haben bei den niedrigen Zinsen wenig Alternativen zu Aktien. Es gibt einen großen Nachholbedarf an Aktien bei privaten und institutionellen Investoren. Ein Stand von 8.500 beim DAX in einem Jahr ist unter diesen Umständen durchaus realistisch. Renner werden die Unternehmen sein, die flexibel auf Nachfrageschwankungen reagieren können.

Für den Anleger

Anlagenotstand bleibt auch 2013 ein Thema. Die Zinsen sind niedrig und können die Inflationsverluste nicht aus­gleichen. Investoren sind auf Aktien angewiesen. Da es hier speziell in Europa aber gute Aussichten gibt, könnte 2013 noch einmal ein ordentliches Anlagejahr werden. Ich bleibe – allerdings mit ein bisschen Zittern – optimis­tisch.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

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  • Die Diskussion über einen Schuldenschnitt wurde in den letzten Monaten von der deutschen Bundesregierung abgeblockt; sie wird aber wieder kommen.

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