Lindner: Sehe über Wachstumsinitiative hinaus noch weiteres Potenzial
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland als "unverändert unbefriedigend" bezeichnet und eine Ausweitung der Wachstumsinitiative der Regierung angeregt. "Die neue Gemeinschaftsdiagnose muss auch den Letzten überzeugen", erklärte Lindner über den Kurznachrichtendienst X mit Blick auf das Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute. "Jetzt ist die Zeit, alles zu unternehmen, was Wachstum schafft und alles zu unterlassen, was neue Dynamik verhindert. Über die bereits verabredete Wachstumsinitiative hinaus sehe ich noch weiteres Potential", betonte der Finanzminister.
"Die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land ist unverändert unbefriedigend", sagte Lindner zudem in einer Rede im Bundestag. Deutschland habe seit gut zehn Jahren an Wettbewerbsfähigkeit verloren. "Wir sind international nicht in der Verfassung, in der die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt sein sollte. Wir haben nicht das wirtschaftliche Fundament, um die sozialen und ökologischen Anforderungen, die wir an uns selbst stellen, auch nachhaltig zu finanzieren." Deshalb ergreife die Bundesregierung die Wachstumsinitiative, um die angebotsseitigen Rahmenbedingungen der Wirtschaft zu verbessern.
Die Vorschläge zum Steuerrecht sollten bewirken, dass die private Hand in Deutschland mehr investiere, sagte Lindner bei der ersten Lesung von zwei Gesetzen, mit denen auch erste Maßnahmen der Wachstumsinitiative umgesetzt werden sollen. Neben einer Erhöhung von Freibeträgen bei Einkommenssteuer und Kindergeld sowie der Anpassung des Steuertarifs zum Inflationsausgleich sind unter anderem auch die Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung und Erweiterungen bei der degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter geplant.
Auch Steuerrecht soll an Inflation angepasst werden
"Wir werden unsere Wachstumsschwäche nicht mit staatlicher Investitionslenkung oder Subventionen überwinden, nicht mit mehr öffentlicher Verschuldung, sondern nur wenn die Betriebe, wenn die Unternehmen mehr investieren", sagte Lindner. Deshalb würden Abschreibungen gestärkt und verstetigt, und die Forschungszulage werde ausgebaut. Zum geplanten Ausgleich für die kalte Progression betonte Lindner, wie die Sozialleistungen müsse auch das Steuerrecht an die Inflation angepasst werden. "Idealerweise sollte das zukünftig in einem vergleichbaren Verfahren passieren, wie es bei den Sozialleistungen der Fall ist." Die Regierung spreche gegenwärtig intern darüber.
Die Pläne sehen auch vor, dass die Steuerklassen III und V, die Verheiratete wählen können, künftig entfallen und in die Steuerklasse IV mit Faktor überführt werden. Für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in die Steuerklassen III oder V eingestuft sind, soll demnach automatisiert ein Faktor anhand der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Daten aus den elektronischen Lohnsteuerbescheinigungen gebildet werden. Laut Bundestag soll der automatisierte Faktor anstelle der Steuerklassen III oder V den Arbeitgebern für den Lohnsteuerabzug zum Abruf bereitgestellt werden.
Lindner wies Vorwürfe der Opposition zurück, dies sei der Einstieg in die Abschaffung des Ehegattensplittings. "Das Gegenteil ist der Fall", erklärte der Finanzminister. Die Bundesregierung wolle all denjenigen die Argumentationsgrundlage nehmen, die gegen das Ehegattensplitting wetterten. Durch die Umstellung der Steuerklasse löse man das Problem der Ungleichverteilung der steuerlichen Belastung und der mangelnden jährlichen Berechenbarkeit der Steuerlast. "Wir stellen um, um das Ehegattensplitting zu verteidigen, nicht um es abzuschaffen", betonte Lindner.
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
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