Im Reich der Börsenmärchen...
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Es war einmal eine Europäische Zentralbank (EZB). Diese senkte die Leitzinsen immer weiter, um damit, wie sie es den staunenden Menschen in Euroland erzählte, die Konjunktur anzukurbeln.
Ein hübsches Märchen, das uns da in dieser Woche von der EZB wieder aufgetischt wurde, denn mit Verlaub: Was 0,5 Prozent nicht geschafft haben, das soll ein weiteres Viertelprozent jetzt richten? Beim Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in Europa, bleiben erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Märchenstunde. Die Werte notieren auf Rekordhoch. Seit 2008 (!) ist der Trend stramm aufwärts gerichtet. Die folgende Abbildung zeigt das.
In dieser Zeit, nämlich exakt seit Anfang 2009, ist der Leitzins der EZB von 2,00 auf jetzt 0,25 Prozent gesunken.
Doch den Börsianern ist das egal. Sie feiern das billige Geld erst einmal mit einem märchenhaften Allzeithoch beim DAX. Zum wievielten Mal knallen da eigentlich die Sektkorken, weil irgendeine Notenbank verzweifelt versucht, die Konjunktur mit noch mehr billigem Geld anzuschieben? Man hat längst aufgehört zu zählen.
Wie sehr das Gefüge aus Zinsen, Konjunkturerholung und Börsenkursen aus dem Tritt geraten ist, das verdeutlicht die folgende Abbildung: „Normalerweise“ geht ein Wirtschaftsaufschwung mit steigenden Aktienkursen und ebenfalls steigenden Kapitalmarktzinsen einher. Bis zum Jahr 2009 war das auch so: Die Leitzinsen der US-Notenbank (blaue Linie) haben Auf- und Abstiege der Weltbörsen begleitet. Die rot schraffierte Fläche zeigt den Verlauf des MSCI Weltaktienindex. Doch seit 2009 ist nichts mehr „normal“. Seither befinden wir uns in der Märchenwelt der Notenbanken: Der Börsenaufschwung, den wir seither gesehen haben ist so gut wie ausschließlich einer historisch einmaligen Geldflut geschuldet.
Die meisten Kommentatoren ficht das jedoch nicht an. Da werden munter immer weitere Argumente ausgepackt, warum es jetzt wieder aufwärts geht. Namentlich in Europa ist in diesem Zusammenhang immer wieder von den Lohnstückkosten die Rede. Diese befänden sich vor allem in der europäischen Südschiene auf dem Rückzug, was ein deutliches Indiz für die steigende Wettbewerbsfähigkeit von Kandidaten wie Griechenland, Spanien oder Portugal sei. Mithin sei die Krise bald überstanden.
Dass auch dieses Argument ins Reich der Börsenmärchen gehört, verdeutlicht eine einfache Rechnung. Nehmen wir an, ein Automobilhersteller hat 1.000 Angestellte und produziert mit diesen Mitarbeitern pro Jahr 1.000 Automobile. Wegen sinkender Nachfrage und einer schwachen Konjunktur müssen nun 200 Mitarbeiter entlassen werden. Man konzentriert sich dabei zunächst auf weniger bedeutende Arbeitsplätze, etwa bei den Heißluftproduzenten aus der Marketingabteilung, sodass die Produktion zunächst weniger stark sinkt, die Personalkosten dafür aber umso mehr.
In der Folge produzieren diese 800 Mitarbeiter immer noch 900 Autos – allerdings hat der Konzern jetzt deutlich geringere Personalkosten, eben weil er nur noch 800 statt 1.000 Mitarbeiter beschäftigt. Damit sind logischerweise auch die Lohnstückkosten gesunken – gleichzeitig aber ist die Arbeitslosigkeit im Land gestiegen, sofern alle anderen Parameter unverändert geblieben sind.
Folglich, und damit sind wir wieder bei der aktuellen Lage, sinken die Lohnstückkosten in jenen Ländern besonders deutlich, wo auch die Arbeitslosigkeit besonders stark ansteigt, also etwa in Griechenland oder in Portugal. Daraus aber auf ein bevorstehendes Ende der Krise zu schließen, ist Unsinn.
Unter dem Titel „Die überschätzten Lohnstückkosten“ hat das Handelsblatt vor einiger Zeit ein wenig Licht ins Dunkel gebracht.
Dort heißt es:
„Dass die Lohnstückkosten ein problematischer Indikator sind, ist unter Ökonomen weithin bekannt. So haben etwa Jesus Felipe und Utsav Kumar von der Asiatischen Entwicklungsbank festgestellt: "Es gibt historisch keine Beziehung zwischen Wachstum und Lohnstückkosten." Das ist in der Ökonomie als das Kaldor-Paradoxon bekannt. Wer behaupte, man müsse nur die Löhne senken, um zusätzliches Wachstum zu erzeugen, ignoriere das“.
Das tollste Börsenmärchen kommt derzeit aber zweifellos von den kreditfinanzierten Aktienkäufen. Die Aktienkäufe auf Pump haben zuletzt alle bisherigen Rekorde aus den Jahren 2000 und 2007 deutlich übertroffen.
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Zum Autor:
Andreas Hoose ist Chefredakteur des Antizyklischen Börsenbriefs, einem Service der BörseGo AG, und Geschäftsführer des Antizyklischen Aktienclubs. Börsenbrief und Aktienclub, das komplette Servicepaket für die Freunde antizyklischer Anlagestrategien! Informationen finden Sie unter www.antizyklischer-boersenbrief.de und www.antizyklischer-aktienclub.de
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