Kommentar
10:50 Uhr, 22.08.2011

„Finanzmarktarchitektur - Der kaputte Schlussstein“

Nach einer (für mich) doch recht langen Schreibabstinenz, halte ich es wieder einmal für notwendig, einen Kommentar zu den aktuellen Entwicklungen abzugeben.

Heute verwenden manche Kommentatoren unseres Finanzsystems gerne den Ausdruck „Finanzmarktarchitektur“, wenn Sie auf die Komplexität und die wechselseitigen Abhängigkeiten des Systems hinweisen wollen. Klingt das für Sie etwas zu hochtrabend? Für mich jedenfalls nicht. Ich finde den Ausdruck sehr passend und werde in der Folge näher darauf eingehen.

Der Schlussstein in der Architektur:

Als Schlussstein oder Scheitelstein wird der Keilstein am höchsten Punkt (Scheitel) eines Bogens und somit der abschließende Stein im Hauptknotenpunkt eines Rippengewölbes bezeichnet. Im Bogen ist der Schlussstein keilförmig, im Gewölbe dagegen rund, meist mit Rippenansätzen; er kann auch als Knauf ausgebildet oder aus mehreren Stücken ringförmig zusammengesetzt sein.

Im Gewölbebau spielt der Schlussstein eine entscheidende Rolle: erst wenn er eingesetzt ist, wird die Konstruktion selbsttragend, und das Lehrgerüst kann entfernt werden.

Bildlich schaut das ganze so aus, wobei es sich bei dem grünen Stein um den Schlussstein handelt:

Dieser Stein hält somit das Gewölbe zusammen.

Der Schlussstein unseres Finanzmarktsystems:

Genauso wie in der Architektur, gibt es auch im Finanzsystem einen Schlussstein.

Übersetzt in die Sprache der Finanzwelt ist für mich der Schlussstein in der Finanzwelt die Anlageform mit der besten Bonität. Vielen bekannt als der „safe haven“. Dies war in den letzten Jahrzehnten die „US-Staatsanleihe“ und ist es für die meisten noch heute, was für mich den folgendschwersten Irrtum von Millionen von Menschen darstellt.

Hat die US-Staatsanleihe die Funktion als Schlussstein gut erfüllt? Ich würde sagen nein, oder zumindest immer weniger in den letzten Jahren und Jahrzehnten.

Über Jahrtausende war dieser Schlussstein Gold und Silber. In den letzten hundert Jahren hat man diesen Schlussstein langsam gegen die US-Staatsanleihe ausgetauscht. Dies fing mit der Gründung der FED bzw. dem 1. Weltkrieg an und erlebte weitere Höhepunkte mit dem Schließen des Goldfensters des US-Dollars vor 40 Jahren. Die Bail-outs der letzten Jahre und die daraus resultierenden Schuldenberge der Staaten (und natürlich auch der USA) haben unserem Schlussstein natürlich weiter zugesetzt.

Das Downgrading der Bonität der USA hat für mich eine dramatische Auswirkung auf unseren Schlussstein US-Staatsanleihe. Durch dieses AA+ - Rating kann die US-Staatsanleihe rein faktisch nicht mehr das sicherste Anlagevehikel sein, weshalb wir ab jetzt ein System ohne einen Schlusssein haben und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis unser Finanzmarktgebäude zusammenbricht. Der Schlussstein ist somit endgültig kaputt gegangen.

Eine weitere schlechte Nachricht habe ich auch noch: Es gibt im Moment keine Alternative zur US-Staatsanleihe als Schlussstein unseres Finanzsystems. Dieses Dilemma ist den Märkten bewusst, was zu gewaltigen Volatilitäten in den letzten zwei Wochen geführt hat.

Es ist für mich in diesem Zusammenhang die Aussage von Warren Buffet sehr erheiternd, der gemeint hat, für ihn hätte die USA, wenn möglich, ein AAAA-Rating (d.h. übersetzt, für ihn ist die US-Staatsanleihen weiterhin der Schlussstein). Welch Wunschdenken.

http://www.wirtschaftsblatt.at/home/international/wirtschaftspolitik/standard-poors-hat-rueckgrat-bewiesen-483393/index.do

Bevor wir zur Lösung unseres Problems kommen noch eine Zwischenfrage:

Warum kann der Schlussstein nicht bereits jetzt wieder Gold sein? Ganz einfach. Der Goldpreis ist viel zu niedrig und die Schuldenberge viel zu groß, damit dieses funktionieren würde. Die Relationen zwischen Schulden/Finanzmarktgröße zu Gold passen derzeit einfach nicht. Würde man Gold jetzt als Schlussstein einsetzen (keine Angst niemand hat ein Interesse daran), würde das System trotzdem zusammenbrechen, weil die Relationen einfach nicht passen

Die Lösung für unser Dilemma:

Soweit ich die Lage beurteile gibt es nur eine Lösung, die weder einfach, noch angenehm ist.

Die Lösung wird in zwei Schritten erfolgen und zwar in genau dieser Reihenfolge:

1) Zusammenbruch des Finanzsystems:

Nachdem unser schwacher Schlussstein endgültig kaputt gegangen ist, wird unser Finanzgebäude über kurz oder lang zusammenstürzen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit und es kann jederzeit geschehen. Wahrscheinlich werden die Zentralbanken nochmals versuchen, die Märkte mit Liquidität zu fluten. Ob dieser Versuch gelingen wird, bleibt abzuwarten. Sollten er gelingen, wird dies mit Sicherheit mit einer extrem hohen Inflation bzw. einer Hyperinflation zu bezahlen sein. Die Schuldigen dafür stehen jedenfalls schon fest:

1) die Zentralbanken

2) die Geschäftsbanken

Aber es werden dann wieder Sündenböcke präsentiert und es werden nicht die oben genanten sein (Spekulanten, ...). Natürlich sind wie immer die Politiker und das Volk an der Situation nicht unschuldig, aber das wird man wieder einmal übersehen.

2) Gold als der neue (alte) Schlussstein:

Von unserem Finanzsystem wie wir es heute kennen, wird nicht mehr viel übrig bleiben. In mühevoller Arbeit werden wir ein neues Finanzsystem aufbauen müssen. Dieses wird wesentlich kleiner sein als das bisherige (weshalb auch der Großteil der heutigen Banker ihren bisherigen Brotberuf aufgeben werden müssen).

Der neue Schlussstein Gold und Silber wie in der überwiegenden Zeit der letzten 5000 Jahre. Und ja, alle die sagen, dass Gold ein AAAA-Rating verdient, haben damit vollkommen recht.

Es wird nicht einfach dorthin zu kommen und es wird furchtbar mühsam. Aber es wird sich lohnen und es gibt fast keine funktionierende Alternative dazu (ich hasse das Wort alternativlos, aber in diesem Zusammenhang sehe ich kaum eine Alternative).

Als Alternative sehe ich nur eine Währung mit einer anderen Rohstoffdeckung (alle vier Edelmetalle, Industriemetalle wie Kupfer, Agrarrohstoffe, Land, oder eine Kombination aus mehreren der genannten Dinge). Ob die Menschen diesen Varianten Vertrauen schenken werden, wage ich zu bezweifeln.

Man wird wahrscheinlich zwischen Schritt eins und zwei noch ein System mit einem anderen Schlussstein als Gold und Silber versuchen (z.B. ein Währungskorb), aber es wird nicht funktionieren. Ungedeckte Währungen, aufgebaut auf Schulden, funktionieren einfach nicht, ob es den Politikern, Zentralbankern und dem Volk nun gefällt oder nicht.

Zum Schluss noch zwei Veranstaltungshinweise:

1) die Jungs vom Mises-Institut kommen im September nach Wien, um ein wenig ihre Wurzeln kennenzulernen; es sind nicht nur „Österreicher“ dazu eingeladen:

http://mises.org/events/146

2) der liebe Steffen Krug organisiert im Oktober in seiner Geburtsstadt Kassel wieder eine interessante Veranstaltung:

http://www.ifaam-institut.de/wp-content/uploads/2011/08/August_2011_2.pdf

Es wird schwierig, die Qualität seiner bisherigen Veranstaltungen im Hamburg zu erreichen (waren beide ausgezeichnet),

http://www.ifaam-institut.de/wp-content/uploads/2011/03/Hamburger-Anlegerseminar-2011.pdf

http://www.ifaam-institut.de/wp-content/uploads/2010/05/Anlegerseminar_Hamburg_Mai_2010.pdf

aber wie ich ihn kenne, wird es sicherlich eine spannende Veranstaltung. Für zukünftige Veranstaltungen darf ich dem Steffen Krug ein weiteres Genie aus Wien vorschlagen: Walter K. Eichelburg (Ronald Stöferle und Gregor Hochreiter hat er ja schon eingeladen), wobei ich für das Thema auch einen Vorschlag präsentieren möchte: „Der Investor Walter K. Eichelburg und seine Investmentstrategie“ – ein höchst spannendes und lehrreiches Thema, wo zur Zeit Gold und Silber eine wesentliche Rolle spielen.

Ansonsten wünsche ich meinen Lesern einen nicht allzu heißen Sommer/Herbst. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass die nächsten Wochen äußerst ereignisreich ablaufen werden. Alles Gute!

Sie können mich unter der E-Mail-Adresse a.mostfee@gmx.at erreichen.

Haftungsausschluss:

Dieser Artikel wurde zur Information der Leser zum besseren Verständnis der Materie verfasst. Die dargelegten Argumente spiegeln die Meinung des Autors wider und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich möchte mit diesem Artikel keine professionelle Dienstleistung erbringen. Für eine professionelle Beratung sollten Sie sich an einen professionellen Berater wenden.

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