Ex-EZB-Chefökonom: Schleichende "Politisierung der Geldpolitik" ist bedenklich
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Frankfurt (BoerseGo.de) - Nach Einschätzung von Jürgen Stark, ehemaliger Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), ist die Unabhängigkeit der Zentralbanken de facto nicht mehr existent. In einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ klagt Stark die „Politisierung der Geldpolitik“ an. Der Volkswirtschaftler schreibt: „Die Zentralbanken der westlichen Volkswirtschaften befinden sich in einem riskanten Experiment. Sie verlängern den Krisenmodus und bereiten den Boden für neue Marktübertreibungen und Krisen, indem sie den Anreiz- und Signaleffekt des Preissystems unterdrücken. Ein verlängerter Krisenmodus verändert das Marktverhalten und auch die Rolle der Zentralbanken. Mehr Macht konzentriert sich mit der Übernahme neuer Aufgaben bei den Zentralbanken, die sich demokratischer Kontrolle entzieht und den Kernauftrag gefährdet, Preisstabilität zu sichern“.
Mit der Dehnung ihres Mandats hätten die Notenbanken den notwendigen Grad an Unabhängigkeit von politischem Einfluss verspielt, so der Experte. Dadurch bleibe die Preisstabilität auf der Strecke. Gerade der Fall Italien zeige, wie dramatisch es werde, wenn die EZB den Druck von den Regierungen nehme. Damit werde das Bewusstsein für die Krise und die Notwendigkeit einer anderen Politik untergraben, so Stark im Handelsblatt. Er hat dabei vor allem den Aufkauf von italienischen Staatsanleihen im Wert von 100 Milliarden Euro durch die EZB sowie das Versprechen ihres Präsidenten Mario Draghi, den Euro zu retten - koste es, was es wolle, im Blick.
„Aus der Sicht vieler Marktteilnehmer und Politiker in Europa hat sich die EZB in einen potenziellen Superfonds zur Rettung von Ländern in Schwierigkeiten gewandelt“, führt Stark aus. Die Gefahr einer Politisierung der Geldpolitik sieht er auch in Japan, Großbritannien und den USA: Zentralbanken hätten im Zuge des Krisenmanagements zunächst ihr Mandat flexibel interpretiert, dann gedehnt und letztlich überschritten, so der ehemalige EZB-Chefökonom.
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