Kommentar
16:07 Uhr, 21.11.2012

Eurokrise: Jetzt wird's interessant für den Anleger

  • Die Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung und zu Strukturreformen in den Schuldnerländern des Euroraums beginnen zu wirken.
  • Es gibt zwar noch viele Risiken. Der Kapitalmarkt schaut jedoch nach vorne. Es fließt wieder Geld nach Europa. Davon können auch Anleger profitieren.
  • Warum es nötig ist, den Ländern bei der Anpassung mehr Zeit zu geben.

Die Stimmung im Euroraum verschlechtert sich im Au­gen­blick wieder. Griechenland braucht dringend Geld, die Gläubiger können sich aber nicht einigen, wie es zur Verfügung gestellt wird. Spanien ziert sich, einen Antrag auf Hilfen durch die Europäische Zentral­bank zu stellen. Frankreich kann sich nicht zu überzeu­genden Reformen durchringen. In dieser Woche hat Moody\'s die Bonitäts­no­te für das Land (bisher AAA) gesenkt. Das Ganze könn­te zu einer neuen Zuspitzung der Krise eskalieren. Manchmal hat man den Eindruck, als hätten wir in den letzten zwei Jahren nichts gelernt und stünden in der Krise schlimmer da denn je.

Das ist nicht richtig. Ich habe mir die Fundamentaldaten der Schuldnerländer im Euroraum etwas genauer ange­schaut. Da zeigt sich, dass eine ganze Menge getan wurde und dass das Ganze auch wirkt. Die Haushalts­defizite sind spürbar gesenkt worden. Konjunkturbereinigt liegen sie beispielsweise in Italien und Griechenland jetzt nur noch bei 1,3 % des BIP, in Portugal bei 3,1 % (in Spanien allerdings noch bei 6 %). Auf den Arbeits- und Gütermärkten wurden wichtige Reformen in Angriff genommen. Als Folge davon ist die Wettbewerbsfähig­keit gestiegen. Die Leistungsbilanzdefizite sind zurück­ge­gan­gen. In Irland und Griechenland sind die Lohn­stück­kosten, verglichen mit dem Beginn der Krise, inzwi­schen um fast 15 % niedriger, in Spanien fast 10 %.

Das ist natürlich noch nicht genug. Griechenland muss noch hart arbeiten – an einer Verbesserung seiner Kon­kur­renzfähigkeit und an der Effizienz des öffentlichen Sektors (nicht zuletzt bei der Steuererhebung). Spanien muss die Haushaltsdefizite und die faulen Kredite der Banken weiter verringern. Frankreich muss aufpassen, dass es nicht in den Strudel der anderen mitgerissen wird.

Insgesamt ist es jedoch ein Anfang. Es ist mehr als viele denken. Dies umso mehr, als es gelungen ist, einen sta­bilen institutionellen Rahmen zur Krisenbekämpfung fer­tig zu stellen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist mit einem Kapital von EUR 700 Mrd. inzwi­schen kein Provisorium mehr, sondern voll arbeitsfähig. Er ist vergleichbar mit dem Internationalen Währungs­fonds auf globaler Ebene. Die Europäische Zentralbank verfügt mit dem OMT (Outright Monetary Transactions) über ein Ins­trument, mit dem sie an den Märkten Über­treibungen verhindern kann. Man kann darüber streiten, ob es sinn­voll war, das OMT bei der EZB anzusiedeln (ich hätte es lieber beim ESM gesehen). Dass es aber gebraucht wird, ist nicht zu leugnen.

Als Folge dieser Maßnahmen haben sich die Verhältnisse an den europäischen Kapitalmärkten normalisiert. Die, vor allem von Professor Sinn so viel kritisierten, Target-Salden sind nicht mehr gestiegen. Sie haben sich von EUR 750 Mrd. Ende August auf EUR 719 Mrd. Ende Ok­tober verringert (siehe Grafik). Das hängt ver­mutlich mit der Rückkehr von Fluchtgeldern zusammen. Es fließt aber auch wieder neues Kapital in den Euro­raum. Das Emirat Katar hat angekündigt, EUR 2 Mrd. in Italien zu investieren. Amerikanische Geldmarktfonds legen Geld in Europa an. Ausländer kaufen europäische Staatsan­lei­hen. Banken leihen sich untereinander auch ohne Si­cher­heiten wieder Geld.

Natürlich kann sich diese Entspannung an den Märkten schnell wieder ändern. Es ist nach wie vor eine fragile Situation. Sie ist heute aber besser als vor einem halben Jahr, weil sie inzwischen vermehrt durch fundamentale Besserungen abgesichert ist.

Vorbei ist die Eurokrise in jedem Fall noch nicht. Worum es jetzt geht ist erstens dafür zu sorgen, dass der Elan der Haushaltskonsolidierung und der Strukturreformen in der Wirtschaft nicht erlahmt. Das ist angesichts der Re­zes­sion, der hohen Arbeitslosigkeit und der zunehmen­den sozialen Unruhen außerordentlich schwierig.

Zweitens sollte man – ohne die Substanz zu verwäs­sern, das ist wichtig – den Zeitplan der Reformmaßnah­men etwas strecken. Alles geht leichter, wenn die Men­schen sehen, dass ihre Anstrengungen nicht permanent durch eine schlechte Konjunktur zunichte gemacht wer­den. Zudem sollten in einer langsamer wachsenden Welt­wirtschaft von Europa nicht noch zusätzliche re­strik­tive Wirkungen ausgehen. Der Kontinent steht internatio­nal ohnehin am Pranger. Der Streit zwischen der EU und dem IWF, ob Griechenland seine Staatsverschul­dung im Jahr 2020 oder erst 2022 auf 120 % des BIP zurückführt, ist lächerlich (zumal beide Termine Fiktion sind).

Drittens müssen die Staats- und Regierungschefs jetzt das "Institution Building" in Angriff nehmen, also die Ins­titutionen der Währungsunion handlungsfähiger machen, die Souveränität der Nationalstaaten beschränken und einen Schritt in Richtung auf die politische Union gehen. Das ist das Langfristziel, das nicht aus dem Auge verlo­ren werden darf.

Für den Anleger

Jetzt wird es interessant. Ich hatte zum ersten Mal im Som­mer (Hüfners Wochenkommentar 12-18) darauf hingewiesen, dass man sich Aktien der Peripherieländer Italien, Spanien und Griechenland anschauen sollte. Sie müssten von den Reformmaßnahmen profitieren. Seit Ju­li haben die spanischen Börsen um 29 % zugelegt, die italienischen um 22 %, die griechischen um 40 % (Deutsch­land dagegen nur um 12 %). Sie haben damit aber bei Weitem noch nicht das Niveau von vor der Kri­se erreicht. Inzwischen gibt es immer mehr Empfehlun­gen für diese Werte. Auch Aktien der Kernländer müss­ten sich im internationalen Wettbewerb der Börsen bes­ser stellen. Das Risiko: Bevor es mit den Kursen nach oben geht, kann es – wenn sich das gegenwärtige Hick­hack fortsetzt – erst noch einmal nach unten gehen. Aber dann wären die Einstiegskurse günstiger.

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