Eurokrise: Jetzt wird's interessant für den Anleger
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- Die Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung und zu Strukturreformen in den Schuldnerländern des Euroraums beginnen zu wirken.
- Es gibt zwar noch viele Risiken. Der Kapitalmarkt schaut jedoch nach vorne. Es fließt wieder Geld nach Europa. Davon können auch Anleger profitieren.
- Warum es nötig ist, den Ländern bei der Anpassung mehr Zeit zu geben.
Die Stimmung im Euroraum verschlechtert sich im Augenblick wieder. Griechenland braucht dringend Geld, die Gläubiger können sich aber nicht einigen, wie es zur Verfügung gestellt wird. Spanien ziert sich, einen Antrag auf Hilfen durch die Europäische Zentralbank zu stellen. Frankreich kann sich nicht zu überzeugenden Reformen durchringen. In dieser Woche hat Moody\'s die Bonitätsnote für das Land (bisher AAA) gesenkt. Das Ganze könnte zu einer neuen Zuspitzung der Krise eskalieren. Manchmal hat man den Eindruck, als hätten wir in den letzten zwei Jahren nichts gelernt und stünden in der Krise schlimmer da denn je.
Das ist nicht richtig. Ich habe mir die Fundamentaldaten der Schuldnerländer im Euroraum etwas genauer angeschaut. Da zeigt sich, dass eine ganze Menge getan wurde und dass das Ganze auch wirkt. Die Haushaltsdefizite sind spürbar gesenkt worden. Konjunkturbereinigt liegen sie beispielsweise in Italien und Griechenland jetzt nur noch bei 1,3 % des BIP, in Portugal bei 3,1 % (in Spanien allerdings noch bei 6 %). Auf den Arbeits- und Gütermärkten wurden wichtige Reformen in Angriff genommen. Als Folge davon ist die Wettbewerbsfähigkeit gestiegen. Die Leistungsbilanzdefizite sind zurückgegangen. In Irland und Griechenland sind die Lohnstückkosten, verglichen mit dem Beginn der Krise, inzwischen um fast 15 % niedriger, in Spanien fast 10 %.
Das ist natürlich noch nicht genug. Griechenland muss noch hart arbeiten – an einer Verbesserung seiner Konkurrenzfähigkeit und an der Effizienz des öffentlichen Sektors (nicht zuletzt bei der Steuererhebung). Spanien muss die Haushaltsdefizite und die faulen Kredite der Banken weiter verringern. Frankreich muss aufpassen, dass es nicht in den Strudel der anderen mitgerissen wird.
Insgesamt ist es jedoch ein Anfang. Es ist mehr als viele denken. Dies umso mehr, als es gelungen ist, einen stabilen institutionellen Rahmen zur Krisenbekämpfung fertig zu stellen. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist mit einem Kapital von EUR 700 Mrd. inzwischen kein Provisorium mehr, sondern voll arbeitsfähig. Er ist vergleichbar mit dem Internationalen Währungsfonds auf globaler Ebene. Die Europäische Zentralbank verfügt mit dem OMT (Outright Monetary Transactions) über ein Instrument, mit dem sie an den Märkten Übertreibungen verhindern kann. Man kann darüber streiten, ob es sinnvoll war, das OMT bei der EZB anzusiedeln (ich hätte es lieber beim ESM gesehen). Dass es aber gebraucht wird, ist nicht zu leugnen.
Als Folge dieser Maßnahmen haben sich die Verhältnisse an den europäischen Kapitalmärkten normalisiert. Die, vor allem von Professor Sinn so viel kritisierten, Target-Salden sind nicht mehr gestiegen. Sie haben sich von EUR 750 Mrd. Ende August auf EUR 719 Mrd. Ende Oktober verringert (siehe Grafik). Das hängt vermutlich mit der Rückkehr von Fluchtgeldern zusammen. Es fließt aber auch wieder neues Kapital in den Euroraum. Das Emirat Katar hat angekündigt, EUR 2 Mrd. in Italien zu investieren. Amerikanische Geldmarktfonds legen Geld in Europa an. Ausländer kaufen europäische Staatsanleihen. Banken leihen sich untereinander auch ohne Sicherheiten wieder Geld.
Natürlich kann sich diese Entspannung an den Märkten schnell wieder ändern. Es ist nach wie vor eine fragile Situation. Sie ist heute aber besser als vor einem halben Jahr, weil sie inzwischen vermehrt durch fundamentale Besserungen abgesichert ist.
Vorbei ist die Eurokrise in jedem Fall noch nicht. Worum es jetzt geht ist erstens dafür zu sorgen, dass der Elan der Haushaltskonsolidierung und der Strukturreformen in der Wirtschaft nicht erlahmt. Das ist angesichts der Rezession, der hohen Arbeitslosigkeit und der zunehmenden sozialen Unruhen außerordentlich schwierig.
Zweitens sollte man – ohne die Substanz zu verwässern, das ist wichtig – den Zeitplan der Reformmaßnahmen etwas strecken. Alles geht leichter, wenn die Menschen sehen, dass ihre Anstrengungen nicht permanent durch eine schlechte Konjunktur zunichte gemacht werden. Zudem sollten in einer langsamer wachsenden Weltwirtschaft von Europa nicht noch zusätzliche restriktive Wirkungen ausgehen. Der Kontinent steht international ohnehin am Pranger. Der Streit zwischen der EU und dem IWF, ob Griechenland seine Staatsverschuldung im Jahr 2020 oder erst 2022 auf 120 % des BIP zurückführt, ist lächerlich (zumal beide Termine Fiktion sind).
Drittens müssen die Staats- und Regierungschefs jetzt das "Institution Building" in Angriff nehmen, also die Institutionen der Währungsunion handlungsfähiger machen, die Souveränität der Nationalstaaten beschränken und einen Schritt in Richtung auf die politische Union gehen. Das ist das Langfristziel, das nicht aus dem Auge verloren werden darf.
Für den Anleger
Jetzt wird es interessant. Ich hatte zum ersten Mal im Sommer (Hüfners Wochenkommentar 12-18) darauf hingewiesen, dass man sich Aktien der Peripherieländer Italien, Spanien und Griechenland anschauen sollte. Sie müssten von den Reformmaßnahmen profitieren. Seit Juli haben die spanischen Börsen um 29 % zugelegt, die italienischen um 22 %, die griechischen um 40 % (Deutschland dagegen nur um 12 %). Sie haben damit aber bei Weitem noch nicht das Niveau von vor der Krise erreicht. Inzwischen gibt es immer mehr Empfehlungen für diese Werte. Auch Aktien der Kernländer müssten sich im internationalen Wettbewerb der Börsen besser stellen. Das Risiko: Bevor es mit den Kursen nach oben geht, kann es – wenn sich das gegenwärtige Hickhack fortsetzt – erst noch einmal nach unten gehen. Aber dann wären die Einstiegskurse günstiger.
Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
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