Eurokrise: Bundesbank-Daten zeigen Entspannung
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Man möchte es kaum glauben, aber in der Euro-Krise zeichnet sich doch tatsächlich so etwas wie eine Erholung ab. Das zeigen jedenfalls jüngste Bundesbank-Daten. Demnach sind die sogenannten Target2-Forderungen der Bundesbank zuletzt deutlich gesunken.
Target2-Salden taugen als „Krisenindikator“
Target2 ist der Name des Zahlungssystems, über das der elektronische Geldverkehr in der Eurozone abgewickelt wird. Ab Sommer 2007 und in besonderem Maße seit Beginn der Euro-Krise hatte sich ein extremes Zahlungsbilanzungleichgewicht zwischen den Überschussländern im Norden (Deutschland, Niederlande, Luxemburg, Finnland) und den Defizitländern (insbesondere Griechenland, Irland, Portugal, Spanien) gebildet. Bei der Bundesbank entstanden riesige Target-Überschüsse beziehungsweise Forderungen gegenüber den Notenbanken der Krisenstaaten. In den vergangenen fünf Jahren kletterten sie von annähernd null auf ungefähr 750 Milliarden Euro.
Diese Forderungen kamen dadurch zustande, dass ein Teil der Leistungsbilanzdefizite der Krisenstaaten nicht mehr durch Nettokapitalimporte aus den Nordstaaten ausgeglichen wurde, so wie das in den Jahren zuvor geschehen war. Die (wegen einer veränderten Risikoeinschätzung) ausbleibenden Nettokapitalexporte in den Nordländern wurden gewissermaßen durch Kapitalexporte der Notenbanken, allen voran der Bundesbank, ersetzt.
Die Target-2-Salden sind damit ein Indikator für die private Kapitalflucht aus den Defizitländern und taugen in guter Näherung als „Krisenindikator“. Bei einer Zuspitzung der Euro-Krise flüchtet mehr Kapital aus den Krisenstaaten. Dieses private Kapital wird durch Notenbankkredite ersetzt, weswegen die Forderungen der Bundesbank gegenüber den anderen nationalen Notenbanken der Eurozone ansteigen.
Zwischenhoch oder Trendwende?
Bei einer Entspannung der Krise fließt ein Teil des privaten Geldes wieder zurück in die Krisenstaaten, weshalb die Ungleichgewichte zwischen den Notenbanken abnehmen. Genau das ist zuletzt geschehen. So sanken die Target2-Forderungen der Bundesbank von 751,449 Milliarden Euro per Ende August auf 695,458 Milliarden Euro per Ende September.
Der Rückgang der Target2-Forderungen der Bundesbank ist ein Zeichen dafür, dass die Kapitalflucht aus den Krisenländern vorübergehend nicht nur zum Stillstand gekommen ist, sondern sich sogar umgekehrt hat. Es floss wieder mehr Kapital in die Krisenstaaten hinein als heraus, sodass sich die Ungleichgewichte im Zahlungssystem verringerten. Ob es sich allerdings dabei um einen wirklichen Wendepunkt in der Krise handelt oder nur um eine Zwischenkorrektur, ist offen.
EZB versetzt Märkte in euphorische Stimmung
Worauf ist die jüngst zu verzeichnende Beruhigung in der Euro-Krise zurückzuführen? Darauf kann es eigentlich nur eine vernünftige Antwort geben. Anfang September nannte die EZB Details zu ihrem neuen Anleihenkaufprogramm und versetzte damit die Kapitalmärkte geradezu in Euphorie. Die Aussicht auf volumenmäßig unbegrenzte Anleihenkäufe tat ihre Wirkung, auch wenn die Käufe an Bedingungen geknüpft werden. Heute soll nun auch der Euro-Rettungsschirm ESM offiziell seine Arbeit aufnehmen, was ebenfalls positiv auf die Stimmung wirken könnte.
Ob die Aussicht auf unbegrenzte Anleihenkäufe durch die EZB die Märkte tatsächlich auf Dauer beruhigen kann, bleibt abzuwarten. Neue Hiobsbotschaften aus Spanien oder Griechenland könnten den Euro-Rettern schnell wieder einen Strich durch die Rechnung machen. Trotzdem bleibt festzuhalten, dass sich die Krise zuletzt deutlich entspannt hat. Ob der Rückgang der Target2-Ungleichgewichte allerdings ein einmaliger "Ausrutscher" war oder ob der Rückgang eine Trendwende in der Eurokrise signalisiert, wird erst in einigen Monaten zu sehen sein.
Oliver Baron
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