Kommentar
16:09 Uhr, 27.08.2013

Ende der niedrigen Zinsen?

  • Die amerikanischen Bond-Zinsen sind zuletzt so schnell und so stark gestiegen wie noch nie in diesem Jahrhundert.
  • Die Reaktion der Märkte auf das Tapering ist aus meiner Sicht überzogen.
  • Die durch das Tapering noch schwieriger gewordene Situation in den Schwellen- und Entwicklungsländern kann leicht auf die Industrieländer abstrahlen.

In den letzten 13 Monaten sind die Renditen der 10-jäh­rigen US-Treasuries um 1,5 Prozentpunkte auf 2,8 % gestiegen. Eine so starke Zunahme in so kurzer Zeit hat es in Amerika in diesem Jahrhundert noch nicht gege­ben (siehe Grafik). Besonders deutlich war die Bewe­gung in den letzten drei Monaten seit der Bekanntgabe, dass die Federal Reserve ihre Wertpapierkäufe im Rah­men des Quantitative-Easing-Programms zurückführen wird ("Tapering"). Kann sich der Zinsanstieg noch weiter fortsetzen? Ist das das Ende der niedrigen Zinsen?

Fundamental sieht es klar nach höheren Zinsen aus. Fünf Jahre nach der Lehman-Pleite ist die Wirtschafts- und Finanzkrise in den USA vorbei. Die Konjunktur läuft wieder. Die Notenbank verabschiedet sich von der ultra­lockeren Geldpolitik. Sie wird im nächsten oder über­nächsten Jahr auch die Leitzinsen erhöhen. Der Aktien­markt reagiert auf die Entwicklung der Bond-Preise zwar ab und zu etwas nervös, insgesamt sind die Kurse seit Mai aber nicht gefallen. Der Markt sieht die Zinserhö­hung also nicht als bedrohlich an. Nach den üblichen Modellen gehören zu einer solchen Wirtschaft Treasury-Renditen von 4,0 % bis 4,5 %.

Das muss aber nicht sofort erreicht werden, sondern vielleicht nach zwei bis drei Jahren. Das was sich am Markt derzeit vollzieht, halte ich für überzogen. Vor al­lem die Reaktion auf die Ankündigung des Tapering der US-Wertpapierkäufe war zu stark. Ich rechne daher damit, dass sich entweder der Markt aus sich selbst heraus beruhigt oder dass die Federal Reserve einen Rückzieher beim Tapering macht.

Die Gründe: Erstens ist die US-Wirtschaft noch nicht so gefestigt, dass sie eine zu schnelle Zinserhöhung so ein­fach verkraftet. Die höheren Hypothekenzinsen belasten den Häusermarkt und gefährden die Erholung, die dort im Gange ist. Das könnte auch für den Rest der Wirt­schaft einen gefährlichen Rückschlag bedeuten. Die Tatsache, dass die Federal Reserve ihre eigenen Zinsen noch nicht erhöht, zeigt, dass auch sie dem Frieden noch nicht traut. Es besteht im Übrigen auch keine Not­wendigkeit, die Normalisierung der Geldpolitik beson­ders schnell zu vollziehen. Die Inflationsrate bewegt sich nach wie vor in einem Bereich, der nicht besorgnis­erregend ist (2 %).

Zweitens und noch wichtiger: Die Amerikaner sind nicht allein in der Welt. Den größten Schaden hat die Ankün­digung des Tapering bisher nicht in den USA ange­rich­-
tet sondern in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Dort wird im Augenblick massiv Geld abgezogen. Die Wechselkurse werten sich ab. Die Geldentwertung steigt. Die Zinsen müssen erhöht werden. Es werden Kapitalverkehrskontrollen eingeführt.

Das ist eine explosive Situation. Wenn Investoren Angst haben, dass sie wegen Kapitalverkehrskontrollen nicht mehr an ihr Geld kommen und in Panik geraten, kann es leicht zu einer neuen Krise kommen. Die Situation ähnelt stark der vor der Asienkrise 1997. Jetzt kommt auch noch die angespannte Situation in Syrien dazu. Natürlich haben die Verantwortlichen aus der damaligen Situation gelernt. Sie werden die gleichen Fehler nicht noch ein­mal machen. Zudem haben sie heute größere Wäh­rungsreserven, mit denen sie ihre Devisen verteidigen können. Die Bindung an den US-Dollar ist nicht mehr so stark.

Andererseits sind die betroffenen Länder auch realwirt­schaftlich verletzbar. Das gesamtwirtschaftliche Wachs­tum geht zurück. In der Euphorie der letzten Jahre sind notwendige Reformen liegen geblieben. Das reicht von öffentlichen Defiziten und Fehlbeträgen in der Leistungs­bilanz über eine ineffiziente Verwaltung, unzureichende Infrastruktur bis zu einer unzufriedenen Bevölkerung, die mehr Teilhabe am Wachstum der Wirtschaft verlangt.

Zwar ist die amerikanische Notenbank in erster Linie den Interessen der Vereinigten Staaten verpflichtet. Aber sie kann die Risiken im Rest der Welt nicht über­sehen. Wenn die Zinsen am Bond-Markt weiter steigen und/oder sich die Situation in den Emerging Markets verschlechtert, wird die Notenbank ihre Politik des Tapering überdenken müssen.

Sie wird dazu auch von den anderen Industrieländern gedrängt werden. Japan, Großbritannien und der Euro­raum sind bei der Überwindung der Krise noch bei Wei­tem nicht so weit wie die USA. An sich müssten sich diese Regionen in einem System flexibler Wechselkurse von der Zinserhöhung in den USA abkoppeln können. Der Dollar müsste steigen, die anderen Währungen sich abwerten. Der Wechselkursmechanismus funktioniert derzeit aber nicht.

Im Euroraum sind die Bond-Renditen zwar nicht so stark wie in den USA gestiegen, aber immerhin doch in einem Maße, das nicht in die Landschaft passt. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen hat sich seit gut einem Jahr um etwas mehr als einen halben Prozentpunkt erhöht. Er­freulich war nur, dass die langfristigen Zinsen der Peri­pheriestaaten in Südeuropa nicht entsprechend nach oben gegangen sind. Die Spreads haben sich verringert.

Für den Anleger

Der Tiefpunkt der Zinsen liegt hinter uns. Ich rechne aber nicht damit, dass sich der Anstieg der Zinsen der letzten Wochen so fortsetzen wird. In den USA könnte es einen Rückschlag geben, in Europa eher einen Still­stand. Das würde auch die schwierige Situation in den Schwellen- und Entwicklungsländern entlasten. Bisher haben die Aktienmärkte auf die Lage in den Emerging Markets überraschend gelassen reagiert. Das muss aber nicht so bleiben. In der Asienkrise 1997 ist der DAX in zwei Monaten um 16 % eingebrochen.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

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