Das Gute am US-Haushaltsstreit
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- Der Haushaltsstreit in den USA ist eine erhebliche Belastung nicht nur für die USA, sondern auch für die Welt insgesamt.
- Es ist jedoch denkbar, dass am Ende etwas unerwartet Positives herauskommt: Die Reduktion der Haushaltsdefizite und die Verringerung der Staatsschulden.
- Das ist es, was unter Präsident Clinton in den 90er Jahren geschah. Es hielt freilich nicht lange.
Jeder weiß, wie schlecht der Stillstand in der öffentlichen Verwaltung der USA (Government Shutdown) als Folge des Haushaltsstreits ist. Aber könnte es sein, dass er auch etwas Gutes mit sich bringt? Hier gibt es in der Tat ein paar Argumente, die mir in der Diskussion über das Thema in den letzten Wochen etwas zu kurz gekommen sind.
Damit die Dinge nicht in die falsche Perspektive geraten: Natürlich ist der Haushaltsstreit, vor allem die drohende Zahlungsunfähigkeit der USA etwas sehr Schlimmes. Das Wichtigste aus meiner Sicht sind die Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Die USA sind nicht nur der größte Kapitalmarkt der Welt, US-Staatspapiere werden wegen ihrer Bonität häufig auch als Sicherheiten für viele Arten von Geschäften genutzt. Das geht nicht mehr, wenn sie auch nur vorübergehend nicht mehr bedient werden. Im schlimmsten Fall droht ein neues Lehman-Desaster.
Der Government Shutdown lähmt die US-Wirtschaft, die wie in jedem anderen Industriestaat auf eine funktionierende Verwaltung angewiesen ist. Selbst Hypothekenkredite können heute nicht mehr vergeben werden, weil die Finanzämter geschlossen sind und die Banken die Einkommensbescheinigungen ihrer Kunden nicht prüfen können.
Politisch wird die Handlungsfähigkeit der größten Macht der Welt in Frage gestellt. Präsident Obama kann nicht an den Treffen der APEC- und der ASEAN-Länder in Asien teilnehmen. Die Chinesen nutzen das, um ihren Einfluss in der Region auszubauen. Die Freihandelsabkommen der USA mit den Pazifikländern (TPP) und Europa (TAP) verzögern sich. Es ist also nur zu hoffen, dass sich der Präsident und der Kongress bald wenigstens über die Schuldenobergrenze einigen.
In dem Konflikt zeigt sich ein strukturelles Problem. Alle Welt bewundert die USA, weil sie die Finanz- und Wirtschaftskrise so relativ schnell überwunden hat. Die Privatwirtschaft und insbesondere der Immobiliensektor haben eine Dynamik entwickelt, die ihresgleichen in anderen Regionen, vor allem in Europa, sucht. In der Politik hinken die USA jedoch hinter anderen Ländern her. Die präsidentielle Demokratie, in der sich ein mächtiger Präsident und ein ebenso mächtiges Parlament gegenüberstehen, funktioniert nur, wenn beide Seiten ausreichend kompromissbereit sind. Das europäische System der parlamentarischen Demokratie, in der der Regierungschef aus der Mitte des Parlaments gewählt wird, ist hier überlegen.
Man könnte etwas pointiert formulieren: Die Strukturprobleme liegen in Europa in der mangelnden Dynamik und Flexibilität der Privatwirtschaft, in Amerika dagegen in der mangelnden Handlungsfähigkeit der Politik. Jeder der beiden muss an seinen Defiziten arbeiten.
Was können die USA tun? Zuerst denkt man hier natürlich an Verfassungsreformen, die eine reibungslosere Zusammenarbeit von Präsident und Kongress ermöglichen. Ob sich dafür eine Mehrheit findet, ist jedoch fraglich. Es könnte daher sein, dass der Präsident noch an etwas anderes denkt. Er hat nämlich eine Möglichkeit, im Streit über die Schuldenobergrenze vom Kongress unabhängiger zu werden: Das ist die Verringerung der Haushaltsdefizite.
Das ist es, was Präsident Clinton in den 90er Jahren bei "seinem" Government Shutdown tat. Er unternahm alles, um Haushaltsdefizite so weit wie möglich zu senken oder ganz zu vermeiden. Das gelang. Die Grafik zeigt die Fehlbeträge im amerikanischen Bundeshaushalt. Im Haushaltsjahr 1995, unmittelbar vor dem Shutdown, betrug er USD 164 Mrd. Dann kam die Wende mit einer rigorosen Sparpolitik. Das Defizit ging zurück. Ab 1998 stellte sich sogar ein Überschuss ein. Der höchste ergab sich im Jahre 2000 mit USD 236 Mrd. Das waren beachtliche 2,3 % der Wirtschaftsleistung. Die Phase der Überschüsse dauerte vier Jahre. In dieser Zeit konnte die Bundesschuld um fast USD 500 Mrd. zurückgefahren werden. Erst unter dem Nachfolger Clintons, George W. Bush, gab es wieder Defizite.
Das hat damals auch die Kapitalmärkte stark beeinflusst. Denn der Staat benötigte mit einem Mal keine zusätzlichen Kredite (nur noch zur Refinanzierung auslaufender Papiere). Es ergab sich eine Knappheit an Staatstiteln. Besonders dramatisch war das, als die US-Treasury bekannt gab, die Emission von 30-jährigen Papieren einzustellen. Das löste einen Run auf diese Papiere aus. Jeder wollte noch welche haben, um sich die Renditen langfristig zu sichern. Die Folge war eine Zinssenkung um etwa einen halben Prozentpunkt.
Das ist das Gute an dem Haushaltsstreit. Er kann, wenn der Präsident die entsprechenden Konsequenzen zieht, eine Bremse für die öffentlichen Defizite sein. Er ist ein Anreiz, ordentlicher zu wirtschaften und die Staatsschulden zurückzuführen. Was man in Europa durch schmerzhafte Eingriffe wie die Schuldenbremse – hoffentlich – hinkriegt, könnten die Amerikaner vielleicht durch den Shutdown schaffen. Freilich muss man sich bewusst sein, dass das eine Zeit dauert (bei Clinton zwei Jahre) und mit erheblichen Einschnitten beim Wirtschaftswachstum verbunden ist.
Für den Anleger
Der Haushaltsstreit wurde von den Kapitalmärkten bisher relativ gelassen hingenommen. Das wird sich ändern, wenn es nicht bald eine Einigung gibt. Je näher der Zeitpunkt kommt, an dem die Amerikaner wegen der Schuldenobergrenze keine Kredite mehr aufnehmen können, umso brenzliger wird es. Dann können die Zinsen noch weiter steigen und die Aktienkurse fallen. Auch der Dollar könnte sich abschwächen. Auf die ganz lange Frist freilich ist es denkbar, dass sich die Schuldensituation in den USA als Folge des Streits bessert.
Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.
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