Kommentar
12:00 Uhr, 23.10.2012

Das Ende der Universalbank?

  • Die Debatte über Universalbank- versus Trennbanksystem ist wenig hilfreich.
  • Die Kreditinstitute können mit beiden Syste-men leben. Die Politik muss sich aber endlich für ein System entscheiden, damit die Banken langfristig planen können.
  • Wichtiger als die Fragen der Organisation des Kreditwesens ist es, die anstehenden Strukturprobleme in dem Sektor anzugehen.

Neue Baustelle für die Banken. Dass es der Kreditwirt­schaft schlecht geht, weiß jeder. Gewinne sind nicht mehr so hoch. Sparer fürchten um die Sicherheit ihrer Einlagen. Steuerzahler haben Angst, bei notleidenden Instituten einspringen zu müssen.

In den letzten Jahren wurde viel getan, um die Banken zu stärken. Sie haben ihr Eigenkapital kräftig erhöht und ihre Liquiditätsvorsorge verbessert (Basel III). Jetzt wer­den weitere Reformen gefordert. Unter anderem sollen die Banken zerschlagen werden in Institute, die nur das Kredit- und Einlagengeschäft betreiben und solche, die sich auf das Investment Banking spezialisieren. Würde das helfen?

Die Diskussion über diese Frage ist ein alter Hut. In der Weltwirtschaftskrise des vorherigen Jahrhunderts zogen die Regierungen aus dem Zusammenbruch des Finanz­systems zwei unterschiedliche Schlussfolgerungen. In den USA setzten sich die Interventionisten durch und führten das Trennbanksystem ein. Das "normale" Bank­geschäft mit Krediten und Einlagen wurde von dem, mit größeren Risiken verbundenen, Wertpapiergeschäft ab­getrennt. Auf diese Weise sollten die Einlagen der Bür­ger geschützt werden.

In Kontinentaleuropa siegten dagegen die Vertreter ei­ner marktkonformeren Lösung. Die Fronten verliefen da­mit umgekehrt zu den heutigen wirtschaftspolitischen Grundhaltungen in Amerika (eher marktorientiert) und Europa (eher interventionistisch). Die Banken durften das Kredit- und Einlagengeschäft wie vorher unter ei­nem Dach mit dem Wertpapiergeschäft betreiben. Damit sollten sie in ihrer Ertragsfähigkeit gestärkt und in Krisen widerstandsfähiger werden. Man ging davon aus, dass sich die Gewinnschwankungen in den einzelnen Sparten gegenseitig ausgleichen würden (was allerdings vor al­lem in Krisen nicht immer der Fall war).

In den achtzig Jahren, seit es die beiden Systeme

nun gibt, sind kaum neue Erkenntnisse hinzugekommen. Beide Systeme haben funktioniert. Sie haben der Wirt­schaft ordentliche Leistungen erbracht. Sie waren im Großen und Ganzen stabil. In beiden Systemen gab es aber Pleiten, in denen der Staat eingreifen musste. In der letzten großen Krise mussten sowohl Investment­banken (Lehman Brothers) als auch Universalbanken (IKB) schließen.

Es ist also müßig, über Universalbanken kontra Trenn­banken zu streiten. Man kann das Bankensystem so oder so organisieren. Dass der eine Weg (Universal­bank) weniger dirigistisch ist als der andere, ist eher ein Formalargument. Wichtig ist freilich: Erstens muss sich die Politik für einen Weg entscheiden. Sie sollte nicht immer wieder neue Vorschläge auf den Tisch legen. Sonst können die Banken nicht langfristig planen.

Zweitens sollten besonders riskante Geschäfte (zum Beispiel Handel der Banken auf eigene Rechnung, Kre­dite an Hedge-Fonds) vom normalen Bankgeschäft ge­trennt sein. In diese Richtung gehen auch die Vorschlä­ge etwa des Liikanen-Berichts für die EU, der Vickers-Kommission für Großbritannien und der Volcker-Rule
für die USA. Damit rennt man freilich offene Türen ein. Viele Banken haben diese Geschäfte in den letzten Jah­ren schon deutlich reduziert.

Die Banken in Deutschland sind zu schnell gewachsen
1. Quartal 1991 = 100

Quelle: Bundesbank

Wichtiger als die Frage Universalbank- versus Trenn­banksystem ist, dass endlich die großen Strukturfragen des Kreditwesens – vor allem in Deutschland – in Angriff genommen werden:

§ Der monetäre Überbau der Volkswirtschaft sollte wieder mehr in Einklang mit den Gegebenheiten der Wirtschaft gebracht werden. Das ist das sogenannte "Deleveraging". Die Grafik zeigt, wie weit sich der monetäre Sektor in den letzten Jahren von der Wirt­schaft entfernt hat und wie wenig seit der Schulden­krise geschehen ist, um das zu korrigieren. Freilich ist hier auch die Flutung der Banken mit Liquidität durch die Zentralbank schuld.

§ Das Geschäft mit Privatkunden sollte wieder stärker an den Bedürfnissen der Menschen und weniger an Kosten- und Ertragsstrukturen der Anbieter orien­tiert werden. Die Unzufriedenheit der Kunden ist groß. Industrie und Versicherungen sind den Banken bei der Kundenorientierung und Kundenakzeptanz weit voraus. Dass Dispokredite nach wie vor mehr als 10 % kosten (und sich die Banken gleichzeitig über die mangelnde Profitabilität ihres Privatkunden­ge­schäfts beklagen) kann keiner verstehen.

§ Die Landesbanken in Deutschland müssten neu
auf­gestellt werden. Sie sind in ihrer gegenwärtigen Form überflüssig. Länder brauchen keine eigenen Kreditinstitute, außer vielleicht Förderbanken. Spar­kassen brauchen keine Girozentralen, jedenfalls nicht mehr so viele wie jetzt. Das hohe Kreditvo­lu­men der Landesbanken könnten auch andere über­nehmen.

Für den Anleger

In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts hat der da­malige Sprecher der Deutschen Bank, Alfred Herr­hau­sen, die Banken die "Stahlindustrie des kommenden Jahrzehnts" genannt. Er meinte damit, dass sie sich ge­sundschrumpfen und neu aufstellen müssten. Das ist bisher praktisch nicht geschehen. Es wird aber kommen. Seien Sie daher vorsichtig und selektiv bei Anlagen im Finanzsektor. Es ist insgesamt ein schrumpfender Be­reich. Nur wenige Institute werden am Ende Gewinner sein. Vieles ist in den heutigen Kursen bereits enthalten, es wird aber noch Überraschungen geben.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

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