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11:10 Uhr, 26.09.2024

Bundestag beschließt umfassende Bürokratieentlastung

Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones) - Der Bundestag hat das Vierte Bürokratieentlastungsgesetz beschlossen, mit dem die Wirtschaft jährlich um 944 Millionen Euro entlastet werden soll. Dazu ist laut Bundestag unter anderem vorgesehen, Formerfordernisse im Zivilrecht abzusenken, Aufbewahrungspflichten für Buchungsbelege im Handels- und Steuerrecht zu verkürzen sowie für deutsche Staatsangehörige die Hotelmeldepflicht abzuschaffen. Ferner soll eine zentrale Datenbank der Steuerberaterinnen und Steuerberater für Vollmachten im Bereich der sozialen Sicherung eingeführt werden. Sowohl die Koalitionsfraktionen als auch CDU/CSU stimmten dem Gesetzentwurf im Bundestag zu.

"Entbürokratisierung - das klingt schon nach Bürokratie", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der Bundestagsdebatte. Dennoch sei es ein zentral wichtiges Thema. Laut den jüngsten Berichten von Bundesverband der Deutschen Industrie und Ex-EZB-Chef Mario Draghi seien "die Lasten von Berichtspflichten und Bürokratie ein echtes Investitionshemmnis in Europa". Es sei deshalb "nicht zu übersehen, welche Bedeutung dieses Thema hat für den wirtschaftlichen Aufschwung, für die wirtschaftliche Erholung, für die Investitionsattraktivität des Standortes". Die Bundesregierung führt zur Begründung in dem Gesetz aus, dass "in Zeiten multipler Krisen, stockender Konjunktur und angespannter Haushaltslagen die Beseitigung überflüssiger Bürokratie besonders dringend" sei.

Der Rechtsausschuss des Bundestags hatte noch Änderungen vorgenommen und damit Anregungen von Verbänden und Bundesrat aufgegriffen. Zu den wesentlichen Änderungen gehört demnach die Modernisierung der Bekanntgabe der Steuerbescheide und anderer Steuerverwaltungsakte. Künftig soll es den Steuerbehörden ermöglicht werden, Steuerbescheide und andere Steuerverwaltungsakte digital zum Abruf bereitzustellen. Die bisher vorgesehene Einwilligung des Empfängers entfällt, stattdessen ist eine Widerspruchslösung geplant.

Ferner sollen Unternehmen durch Änderungen im Aktienrecht entlastet werden. So soll es künftig ausreichen, Unterlagen zu vergütungsbezogenen Beschlüssen auf der Hauptversammlung auf der Internetseite zu veröffentlichen. Eine Bekanntmachung soll dann nicht mehr nötig sein. Im arbeitsrechtlichen Nachweisgesetz sollen die Formerfordernisse erweitert werden. Damit solle es Unternehmen erlaubt werden, Abläufe in ihren Personalverwaltungen zu digitalisieren. Ausgenommen sind unter anderem das Bau-, das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe sowie das Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe sowie die Fleischwirtschaft.

Im Bereich der Leiharbeit sind ebenfalls Änderungen vorgesehen. Im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz soll künftig verankert werden, dass für Überlassungsvereinbarungen zwischen Ver- und Entleihern die Textform ausreichend ist, diese also beispielsweise per E-Mail abgeschlossen werden können. Mit Blick auf laufende Cum-Ex-Ermittlungsverfahren wurde zudem laut den Angaben eine Regelung zu verkürzten Aufbewahrungsfristen angepasst. Diese soll für Personen und Gesellschaften, die der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterliegen, erst mit einer Verzögerung von einem Jahr gelten. "Die Einschränkung dient dem Zweck, laufende Cum-Ex-Ermittlungsverfahren durch die als bloße Entbürokratisierungsmaßnahme intendierte Verkürzung der Aufbewahrungsfristen nicht zu beeinträchtigen oder zu erschweren", hieß es dazu.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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