Biotechnologische Innovation und neuartige Immunonkologie-Behandlungen
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Seit Erreichen der Höchststände Ende Februar gaben viele Aktien der Biotechnologiebranche Mitte des Frühjahrs wieder nach, bis sie sich im Mai und bisher im Juni dann wieder erholen konnten. Dieser Abverkauf wurde primär durch die Anlegerbesorgnis, Biotechnologiewerte könnten aufgrund des starken Anstiegs des Anlegerinteresses und hoher Zugewinne 2013 und Anfang 2014 überbewertet sein, ausgelöst. Außerdem bestand die Sorge, die US-Regierung werde die Branche unter Druck setzen, die Preise einiger ihrer teuereren Produkte zu senken. Wir bleiben für diesen Sektor optimistisch, denn wir glauben, jüngste Erfolge klinischer Forschungsprogramme bei vielen ernsten Erkrankungen mit signifikanten ungedecktem Bedarf unterstreichen das erhebliche Innovationspotenzial. Wir meinen, in klinischen Prüfungen fortschreitende, dramatische, qualitative Verbesserungen der Behandlungsformen branchenweit könnten – trotz des globalen Preis- und Anwendungsdrucks – das stabile, langfristige Ertragswachstum der erfolgreichsten Unternehmen weiter steigern. In Therapiebereichen wie der Onkologie, bei denen miserable Ergebnisse ohne wirksame therapeutische Interventionen oft unvermeidlich sind, können hochentwickelte Screening-Tools Unternehmen zur Entwicklung von gezielten Behandlungen verhelfen.
Ein Bereich in der Entwicklung von Krebsmedikamenten, die so genannte Immunonkologie, veranschaulicht den hohen Grad an Innovation, der unsere Begeisterung für die Biotech- und pharmazeutische Industrie trägt. Forscher in diesem Bereich sind bestrebt, Mittel gegen Krebs durch die langfristige Aktivierung des patienteneigenen Immunsystems eines Krebspatienten zu entwickeln. Gesundheit und Wohlbefinden der Zellen, die die größeren Organe des Menschen bilden (z. B. Lungen, Leber, Gehirn, Nieren usw.) werden normalerweise kontinuierlich vom Immunsystem kontrolliert. Diese „Immunüberwachung“ existiert zum Schutz unseres Körpers vor Krankheiten, indem „Eindringlinge“ (wie Viren, Bakterien und Krebszellen) von gesunden, normalen menschlichen Zellen unterschieden und Eindringlinge aggressiv zerstört werden. Krebs ist mitunter aber zäh und viele Krebszellen entwickeln erfolgreiche Methoden, die natürliche Fähigkeit des Immunsystems, Eindringlinge zu eliminieren, zu unterdrücken – selbst dann, nachdem Krebszellen von gesunden Nachbarzellen als Fremdgefahr erkannt worden sind.
Einer der Medikamentenentwickler, die wir aktiv verfolgen, hat ein einzigartiges, Antikörperbasiertes, immunonkologisches Mittel zur Behandlung von fortgeschrittenem Hautkrebs entwickelt. Nach Identifizierung einer Krebszelle als Eindringling, versucht das Immunsystem einen Angriff gegen diese Fremdzelle in Gang zu setzen. Jedoch vermögen Krebszellen einzigartige Proteine zu bilden, die die Abwehrversuche des Immunsystems vereiteln. Dieses spezielle Antikörpermedikament drapiert sich über die „Bremsproteine“ der Krebszelle wie eine Decke und macht diese Proteine im Wesentlichen unsichtbar für Immunzellen. Das Immunsystem kann dann den normalen Prozess der Zerstörung von Eindringlingen abschließen, indem die Krebszelle getötet wird. Zudem besitzt das Immunsystem ein „Langzeitgedächtnis“ für besiegte Eindringlinge, um sicherzustellen, dass einem späteren Eindringen eine rasche und starke Immunantwort folgt. Nach einer modifizierten Immunantwort mit einer einhergehenden Elimination von Hautkrebszellen wird das Immunsystem sich daher stets während des Lebens des Patienten an die Merkmale von Hautkrebszellen „erinnern“ und erneut angreifen, sollten diese Krebszellen jemals wiederkommen.
Nach unserer Analyse unterstreichen die publizierten klinischen Behandlungsresultate bei Hautkrebspatienten das spannende Potenzial von Therapien dieser Klasse. Trotz der typischen schlechten Prognose von Patienten in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung überlebten Dank der Behandlung deutlich mehr als die Hälfte der Patienten ein Jahr oder länger, und über ein Drittel waren nach fünf Jahren noch am Leben. Langzeitüberlebensraten in dieser Größenordnung sind nach Anwendung früherer Therapien bei Hautkrebspatienten im fortgeschrittenen Stadium niemals berichtet worden.
Mit vermehrter Forschung und Entwicklung werden derzeit andere neuartige immunonkologische Mittel von Biotechunternehmen in verschiedenen klinischen und kommerziellen Stadien entwickelt. Sie sind Teil des Investment-Universums und diese Mittel werden für verschiedenartige Krebsformen, u. a. von Lungen, Dickdarm, Blase, Knochenmark, Gehirn und Pankreas entwickelt. Idealerweise könnte der anhaltende Erfolg dieser spezifischen Mittel die Entwicklung von immunonkologischen Behandlungen für die meisten Krebsformen erleichtern. Zudem sind wir optimistisch, dass diese Forschung auch potenziell die Entwicklung von Langzeitheilungen gegen eine ganze Reihe von Erkrankungen ermöglichen könnte.
Außerhalb des Segments Immunonkologie beurteilen wir den Biotechnologiesektor und die pharmazeutische Branche aus fundamentaler Sicht insgesamt nach wie vor optimistisch. Der fortwährende Erstattungsunwillen privater und öffentlicher Krankenkassen in den USA und anderenorts in der Welt sorgt für ein schwieriges operatives Umfeld für unsere Anlagestrategie, das sich nach unserer Erwartung aber nicht weiter verschlechtern dürfte. Ferner lassen jüngste Maßnahmen der US Food and Drug Administration vermuten, dass die Behörde ihr Zulassungsverfahren für Medikamente großzügiger handhabt. Wir entdecken bei kleineren Unternehmen auch viele Präparate, die sich unseres Erachtens den kritischen Blicken von Aufsichtsbehörden und Erstattern noch jahrelang entziehen dürften. Letztlich ist dieser nachgelagerte Branchendruck nach unserer Überzeugung bereits in Ertragsschätzungen und Bewertungen eingeflossen. Daher waren wir in der Lage, gezielt Positionen aus Segmenten auszuwählen, die wir als ansprechende Anlagenischen erachten, wie Arzneimittel für seltene Erkrankungen, Biologika, Arzneimittel- Medizinprodukt-Kombinationen und andere Bereiche mit hohem, bislang ungedecktem medizinischem Bedarf.
Autor: Jerel A. Banks, Portfolio Manager, Franklin Equity Group
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